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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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endlich mit Margot gesprochen. Er schien entsetzt von der Idee und antwortete, natürlich habe er das nicht getan. Er habe vor, weiter in Deckung zu bleiben. Sue habe ihm sogar versprechen müssen, niemals Margot gegenüber seinen Namen oder sein Interesse an ihr zu erwähnen. Nun war ich der Überraschte. Ich fragte ihn, wie das zusammenpasse mit dem Wunsch, den er angeblich hege, seit er Margot zum erstenmal gesehen habe, dem Wunsch, ihr seine unwandelbare Liebe zu gestehen.
    Es paßt überhaupt nicht zusammen, schoß er zurück. Ich habe dir ja gesagt, die Sterne stünden nicht günstig. Das war dumm gedacht und dumm gesagt, aber wenigstens war ich schlau genug, nicht auch noch dumm zu handeln. Ich will nicht, daß sie mich demütigt.
    Archie und Henry hatten sich noch nicht bei Keezer’s neu ausstaffiert, also nahm ich an, Henry schäme sich wie bisher wegen seiner Kleidung. Als ich fragte, ob das seine Sorge sei, nickte er, worauf ich ihn spüren ließ, daß ich nicht mehr weiterwußte: Ob er denn immer noch nicht gemerkt habe, daß ihm bis jetzt kein Mensch die Freundschaft verweigert habe, bloß weil er komisch angezogen sei?
    Wie willst du das wissen? erwiderte er. Ob dich jemand verachtet, das spürst du in den Knochen. Ich weiß, was ich spüre.
    Nach einer Pause sagte er: Im Moment ist mein Problem, ob ich mich noch weiter mit Sue verabreden soll. Sie ist lieb und nett, aber Margot und sie kennen sich, wohnen im selben Studentinnenheim und verbringen ihre Zeit mit denselben Mädchen. Komplikationen möchte ich vermeiden. Ich denke, ich muß die Sache mit ihr beenden – ganz vorsichtig.
    Dazu sagte ich nichts.
    Nach dem Essen gingen wir zusammen zum Studentenheim zurück. Unterwegs begann er mir zu erzählen, was er von Sue über Margot erfahren hatte. Offenbar waren ihre Eltern so reich und elegant, daß man in Modezeitschriften regelmäßig Reportagen über sie lesen konnte. Angeblich waren sie mit allen berühmten und wichtigen Leuten bekannt − und offenbar ein beliebtes Gesprächsthema für die anderen Mädchen in der Schule und deren Eltern. Interessant warendie Details. Margots Vater war vor dem Krieg ein bedeutender Amsterdamer Bankier gewesen. Anscheinend wußten die meisten Leute, daß er Jude war. Die Mutter dagegen war eine echte Amerikanerin, das hieß, keine Jüdin. In der Schule wurde behauptet, Mr. Hornung habe sie im Pierre als Coupletsängerin gesehen und »gekauft«, und Margot sei fünf Monate danach zur Welt gekommen. Beide Ereignisse waren Gesellschaftsnachrichten und wurden in den New Yorker Boulevardblättern gemeldet, obwohl Mr. Hornung mit Frau und Kind zurück in die Niederlande gegangen war. Er war ein vorausschauender Mann. Schon 1938 begann er, sein Kapital und seine Kunstsammlung nach New York zu transferieren. Im Juni 1939 reisten die Hornungs dann in aller Ruhe samt einer englischen Kinderfrau, die noch immer in ihren Diensten war, auf einem Schiff der Cunard Line nach New York, wo sie sich mit ihrem Kapital und ihren Kunstschätzen wiedervereinigten. Das Apartment an der Park Avenue, in dem sie bis heute wohnen, bezogen sie so rechtzeitig, daß Margot im Herbst desselben Jahres zur Schule gehen konnte. Nach Sues Auskunft war dieses Apartment eine zweite Frick Collection. Mr. Hornung machte an der Wall Street noch einmal ein Vermögen, deshalb waren sie nicht wieder nach Amsterdam gezogen.
    Ich hab es gespürt, sagte Henry, sobald ich die Mutter sah, habe ich gespürt, was das für Leute sind. Keiner von ihnen würde mir guten Tag sagen, ganz egal, wie ich angezogen wäre. Ich muß Margot zu meinem Langzeitprojekt machen. In der Zwischenzeit halte ich mich fern, ich will es mir nicht verscherzen.
    Ich stimmte ihm zu, daß die Mutter wirklich glamourös war. Aber war das ein Grund, warum ein Erstsemester am Radcliffe, Jüdin oder Halbjüdin, sich weigern würde, mit einem jüdischen Harvardstudenten auszugehen, mit dem sie schon hatte anbändeln wollen? Würde sie ihn ablehnen,nur weil ihre Eltern steinreich waren und Picasso und die Windsors kannten?
    So schwer von Begriff kannst du doch gar nicht sein, erwiderte Henry.
    Ich war nicht beleidigt, aber wir redeten nicht weiter. Henry mußte in die Bibliothek, um ein Buch zu lesen, das er sich für den Lesesaal bestellt hatte. Am Abend und in den Tagen danach nahmen wir jedoch das Gespräch über die Hornungs wieder auf. Im Lauf dieser Unterhaltungen erfuhr ich von Henry Bruchstücke der Kriegsgeschichte, die Archie hatte

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