Ehrenwort
»Jedenfalls nicht wir Studenten - ich bin neulich einer Schleimerin voll auf den Leim gegangen.«
Max hätte gern mit Mizzi über Falko gesprochen, aber er brachte es nicht fertig. Neulich hatte ihn dieser Typ - obwohl er pünktlich die Zahlung erhalten hatte - mit »Du Opfer« angeredet. In Falkos Sprache bedeutete das die Aussicht auf Prügel.
Wenn Max bei strömendem Regen im Auto saß, dachte er oft an frühere Zeiten. Wenn er bei solchem Wetter mit dem Fahrrad unterwegs war, hatte er sich immer vorgestellt, dass es nur seine äußere Hülle war, die nass und klamm wurde, während sein Innerstes warm und trocken blieb. Herz und Magen, Nieren, Leber und Lunge hockten gemütlich zusammen und tranken Tee.
Aber so ein Wagen war schon ein angenehmer Luxus. Es war der ehemalige PKW seiner Mutter, den er zum bestandenen Abitur geschenkt bekommen hatte. Wahrscheinlich war sie so erleichtert, als er die Schule geschafft hatte, dass sie alles dafür hergegeben hätte. Mit dem Fahrrad hätte er das Heim für schwererziehbare Jugendliche auch kaum erreichen können; andererseits wäre es bestimmt besser gewesen, wenn er seinen Zivildienst woanders absolviert hätte, denn dann wäre er Falko niemals begegnet.
Ohne seinen Großvater wäre er nie an genug Geld gekommen, um diesem gemeinen Erpresser das Maul zu stopfen. Der Opa konnte die Kohle sowieso nicht mit ins Grab nehmen, also war es im Grunde kein Verbrechen, wenn Max die Erbschaft schon im Voraus ausgab.
8
Es gab täglich neue Anzeichen für den nahenden Frühling. Ilse Knobel hatte vor vielen Jahren wildwachsende Schlüsselblumen ausgegraben und in eigenen Beeten, aber auch im Garten ihres Sohnes wieder eingepflanzt. Harald musste immer an seine Mutter denken, wenn die gelben Blümchen aus der Erde sprossen und auf wärmere Tage hoffen ließen. Er kultivierte heimlich ein vages Gefühl, dass seine Mutter ihn sehen und ihm bei schweren Entscheidungen zur Seite stehen könnte. Ob sie es insgeheim gutheißen würde, wenn er den Alten aus dem Weg räumte? Immerhin hatte sie selbst mehr als fünfzig Jahre unter ihm gelitten. Die aufblühenden Himmelsschlüssel im Garten erschienen Harald wie ein Zeichen von oben.
Der nächste Versuch musste auf jeden Fall gelingen. Er durfte nicht zu lange damit warten, weil der Alte täglich kräftiger wurde und ein plötzliches Ableben schon bald verdächtig erscheinen konnte. Das Vermieten seines Elternhauses war mit lästigem Organisieren verbunden; er konnte sich das alles ersparen, wenn er das Haus erbte und einem Makler zum Verkauf übergab. Diesmal müsste Willy Knobel allerdings den Schierlingsbecher im Beisein seines Sohnes bis zur Neige leeren.
Harald füllte einen Schwenker halb mit Cognac, halb mit flüssigem Schlafmittel. Probeweise steckte er einen Finger hinein und leckte ihn ab. Die Beimischung war glücklicherweise fast gar nicht zu schmecken. Sein eigenes Glas goss er so voll es eben ging, denn er war ziemlich aufgeregt und brauchte eine beruhigende Droge.
Der Alte lag wie immer mit Kopfhörern im Bett. Als sein Sohn auftauchte, nahm er sie ab und deutete erregt auf einen Nachrichtensprecher.
»Der hat schon wieder gewunken gesagt«, beschwerte er sich. »Winken, winkte, gewinkt muss es heißen, das ist doch allemal ein schwaches Verb!«
»Wahrscheinlich hast du recht«, sagte Harald.
»Wahrscheinlich? Hundertprozentig! O tempora, o mores, in was für einer Zeit muss ich leben!«
Das hat ja bald ein Ende, dachte Harald, zog sich Mizzis Schreibtischstuhl heran und setzte sich mit den Cognacschwenkern direkt neben das Bett.
»Diesmal lass ich den Schnaps nicht stehen«, sagte der Alte. - »Wenn ich den Fernseher anmache, kann ich mich eigentlich nur noch ärgern!«
»Dann trink gleich mal einen Schluck«, sagte Harald freundlich, »danach regst du dich nicht mehr so auf und schläfst auch besser!«
Willy Knobel behielt das Glas in der Hand und schimpfte weiter.
»Ich schlafe tatsächlich nicht gut bei euch, weil mir die Straßenlaterne mitten ins Gesicht leuchtet. Hat Mizzi sich nie daran gestört?«
»Soweit ich mich erinnere, hat Mizzi abends die Fensterläden zugeklappt«, sagte Harald. »Das könntest du auch so halten.«
»Ich bitte darum!«
Also stellte Harald sein Glas auf dem Nachttisch ab und ging auf den Balkon. Die schweren türhohen Läden waren lange nicht mehr benutzt worden, hatten sich verzogen und klemmten.
Unterdessen entdeckte der Alte, dass sich sein Sohn wesentlich mehr Cognac
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