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Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Titel: Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Arendt
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ausdrücklich im August 1941, also wenige Wochen nachdem der Befehl zur »Endlösung« offiziell erlassen worden war, zu Goebbels, »daß ein Mann wie Antonescu in dieser Frage viel radikaler vorgeht, als wir es bisher getan haben«.
    Im Februar 1941 trat Rumänien in den Krieg ein, und die rumänische Legion entwickelte von vornherein eine militärische Schlagkraft, die in dem Krieg gegen Rußland von Bedeutung war. Allein in Odessa war rumänisches Militär verantwortlich für ein Massaker an 60 000 Menschen. Im Gegensatz zu den Regierungen anderer Balkanländer besaß die rumänische Regierung von Anfang an genaue Kenntnis von den Vorgängen im Osten, und selbst als die Eiserne Garde nach einigen Putschen und sehr blutigen Pogromen aus der Regierung entfernt war, begannen rumänische Soldaten im Sommer 1941 eine Serie von »illegalen« Deportationen und Schlächtereien, deren nacktes Grauen in dieser ganzen grauenvollen Geschichte nicht seinesgleichen hat und auch den Bukarester Pogrom der Eisernen Garde im Januar des gleichen Jahres in den Schatten stellte. Deportation im rumänischen Stil bedeutete, daß 5000 Menschen in Güterwagen gepfercht und dem Erstickungstod ausgeliefert wurden, während der Zug tagelang ohne Ziel und Plan durch die Gegend fuhr; ein beliebtes Nachspiel der Mordoperationen war es, die Leichen in jüdischen Fleischerläden auszustellen. Auch die Methoden der rumänischen Konzentrationslager, die errichtet wurden, weil Deportationen noch nicht »bewilligt« waren, waren auf ausgeklügeltere und grausamere Weise schrecklich als irgend etwas, was wir aus deutschen Lagern kennen. Als Eichmann den üblichen »Judenberater«, Hauptsturmführer Gustav Richter, nach Bukarest schickte und dieser berichtete, daß Antonescu jetzt 110 000 Juden in »zwei Wälder jenseits des Bug«, also in deutsch besetztes russisches Gebiet, zur Liquidierung zu transportieren beabsichtige, waren die Deutschen ob solcher Unordnung entsetzt, und alle möglichen Stellen intervenierten: die Wehrmachtskommandeure, Rosenbergs Ministerium für die besetzten Ostgebiete, das Auswärtige Amt, der Gesandte in Bukarest, Freiherr Manfred von Killinger – der letztere als ehemaliger hoher SA-Führer und persönlicher Freund Röhms in den Augen der SS verdächtig, wurde vermutlich von Richter, der ihn in jüdischen Fragen »beriet«, überwacht. Doch in dieser Angelegenheit herrschte allgemeine Einigkeit. Eichmann selbst beschwor in einem Brief vom April 1942 das Auswärtige Amt, diese unorganisierten und verfrühten »Entjudungsbestrebungen« Rumäniens für den Augenblick abzustoppen; man müsse den Rumänen klarmachen, daß »die bereits in Gang befindliche Evakuierung der deutschen Juden« Priorität habe, und er schloß mit der ominösen Formel: »Für den Fall jedoch, daß die rumänische Regierung dem Ersuchen um Einstellung der illegalen Judentransporte nicht entsprechen … sollte, behalte ich mir sicherheitspolizeiliche Maßnahmen vor.«
    So ungern die Deutschen auch den Rumänen bei der »Endlösung« eine höhere Priorität einräumen mochten, als ursprünglich für Balkanländer geplant, sie mußten einlenken, wenn die Situation nicht in ein einziges blutiges Chaos ausarten sollte, und wie sehr Eichmann seine Drohung mit der Sicherheitspolizei auch genossen haben mag, Juden zu retten war schließlich nicht ihre Aufgabe. Also schloß das Auswärtige Amt Mitte August – zu diesem Zeitpunkt hatten die Rumänen fast 300 000 ihrer Juden bereits fast ohne deutsche Hilfe umgebracht – ein Abkommen mit Antonescu, demzufolge »die deutschen Dienststellen … die Aussiedlung aus Rumänien selbst durchführen und sofort mit dem Abtransport der Juden« aus bestimmten Bezirken beginnen sollten. Eichmann verhandelte sogleich mit den deutschen Eisenbahnbehörden wegen der erforderlichen Anzahl Waggons für den Abtransport von 200 000 Juden nach den Lubliner Vernichtungslagern. Aber jetzt, da die »Planlosigkeit« ein Ende hatte und die Deportation unter großen Konzessionen organisiert war, entschlossen die Rumänen sich plötzlich zu einem Frontwechsel. Ein Brief des zuständigen Vertrauensmanns Richter wirkte in Berlin wie ein Blitz aus heiterem Himmel: Marschall Antonescu habe es sich anders überlegt; er zöge es jetzt vor, wie Botschafter Killinger berichtete, sich seiner Juden »auf bequeme Weise zu entledigen«. Die Deutschen hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht und außer acht gelassen, daß Rumänien nicht nur einen

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