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Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Titel: Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Arendt
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Gelegenheit war, für ihre Sache einzutreten.
    Adolf Eichmann ging ruhig und gefaßt in den Tod. Er bat um eine Flasche Rotwein und trank die Hälfte davon aus. Den Beistand des protestantischen Geistlichen, Reverend William Hull, der mit ihm die Bibel lesen wollte, lehnte er ab: er habe nur noch zwei Stunden zu leben und deshalb »keine Zeit zu verschwenden«. Er ist »bereit zu sterben«. Die 50 Meter von seiner Zelle zur Hinrichtungskammer geht er in aufrechter Haltung, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Als die Wärter ihm die Füße zusammenbinden, sagt er: »So kann ich nicht stehen«, und: »Nein, das brauche ich nicht«, als sie ihm die schwarze Binde anbieten. An Haltung hat es ihm nicht gefehlt. Er war ganz Herr seiner selbst – nein, er blieb ganz er selbst. Davon geben die letzten Worte unter dem Galgen, die er offenbar lange vorbereitet hatte, ein überzeugendes Zeugnis. Sie sind von einer makabren Komik: »In einem kurzen Weilchen, meine Herren, sehen wir uns ohnehin alle wieder . Das ist das Los aller Menschen. Gottgläubig war ich im Leben. Gottgläubig sterbe ich.« Er gebrauchte bewußt die Nazi-Wendung von der Gottgläubigkeit, hatte nur übersehen, daß sie ja eine Absage an das Christentum und den Glauben an ein Leben nach dem Tode besagte. »Es lebe Deutschland. Es lebe Argentinien. Es lebe Österreich. Das sind die drei Länder, mit denen ich am engsten verbunden war. Ich werde sie nicht vergessen .« Im Angesicht des Todes fiel ihm genau das ein, was er in unzähligen Grabreden gehört hatte: das »Wir werden ihn, den Toten, nicht vergessen«. Sein Gedächtnis, auf Klischees und erhebende Momente eingespielt, hatte ihm den letzten Streich gespielt: er fühlte sich »erhoben« wie bei einer Beerdigung und hatte vergessen, daß es die eigene war.
    In diesen letzten Minuten war es, als zöge Eichmann selbst das Fazit der langen Lektion in Sachen menschlicher Verruchtheit, der wir beigewohnt hatten – das Fazit von der furchtbaren Banalität des Bösen , vor der das Wort versagt und an der das Denken scheitert.

Epilog
    Die außergewöhnlichen Umstände des Jerusalemer Prozesses waren so zahlreich und die aus ihnen sich ergebenden Rechtsfragen so schwierig und vielfältig, daß sie während des Prozesses und auch in der nach dem Prozeß (überraschend spärlich) erschienenen Literatur die zentralen moralischen, politischen und substantiell juristischen Probleme überschattet haben, die der Prozeß unausweichlich aufwarf. Durch die Erklärungen von Premierminister Ben Gurion vor dem Prozeß und durch die Art und Weise, wie die Staatsanwaltschaft die Anklage präsentierte, wurden die Probleme noch verwirrender, weil sie dem Prozeß eine große Anzahl von Aufgaben aufbürdeten, aus denen man ersah, daß der Staat Israel mit ihm eine ganze Reihe politischer Nebenabsichten zu verfolgen gedachte. Dadurch war aber der Gerichtshof überfordert, der nur zu einem einzigen Zweck zusammentritt, nämlich dem, Recht zu sprechen: alle anderen Ziele, auch wenn sie an sich legitim sind – wie etwa »eine geschlossene Dokumentation des Hitlerregimes vorzulegen, die der Prüfung durch die Geschichte standhält« (Robert G. Storey), die bereits in Nürnberg versucht wurde –, können hiervon nur ablenken; sie werden zudem unweigerlich das eigentliche Rechtsverfahren, das heißt die erhobene Anklage, die Urteilsfindung und die Festsetzung des Strafmaßes, in einem zweifelhaften Licht erscheinen lassen. Das Urteil im Fall Eichmann, das in zwei Einleitungsparagraphen sich mit dieser Theorie der höheren Zwecke, die im Gerichtssaal und in der Öffentlichkeit diskutiert wurden, auseinandersetzt, hätte in dieser Hinsicht gar nicht klarer und präziser sein können: Alle Bemühungen, den Bereich des Verfahrens auszudehnen, seien abzulehnen, denn das Gericht dürfe »sich nicht gestatten, sich auf Gebiete verlocken zu lassen, die außerhalb seines Bereichs liegen … das Strafverfahren hat seine eigenen, vom Gesetz vorgeschriebenen Wege, die sich nicht ändern, was immer Gegenstand eines Prozesses sein mag«. Zudem könne der Gerichtshof diese Grenzen nicht überschreiten, ohne sich der Gefahr »völligen Versagens« auszusetzen. Einmal stünden ihm nicht »die Werkzeuge zur Untersuchung allgemeiner Fragen« zur Verfügung, vor allem aber erhalte die Autorität, mit der er spreche, ihr eigentliches Gewicht erst dadurch, daß er seine Grenzen beachte. »Niemand hat uns zu Richtern gemacht« über Dinge außerhalb der

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