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Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition)

Titel: Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Arendt
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verwirrte, als sie entdeckten, daß der Angeklagte ein spezielles erhebendes Klischee für jeden Abschnitt seines Lebens und für jede der Tätigkeiten, die er ausgeübt hatte, parat hatte. In seinem Kopf bestand kein Widerspruch zwischen dem »ich werde lachend in die Grube springen«, das bei Kriegsende angemessen geklungen hatte, und der nicht weniger freudigen Bereitschaft, »sich als abschreckendes Beispiel öffentlich zu erhängen«, das jetzt, unter radikal veränderten Umständen, genau die gleiche Funktion erfüllte – nämlich ihm erhebende Gefühle zu verschaffen.
    Diese Gepflogenheiten Eichmanns schufen während des Prozesses erhebliche Schwierigkeiten – nicht für Eichmann selbst, aber für diejenigen, die dort waren, um ihn anzuklagen, ihn zu verteidigen, Recht über ihn zu sprechen und von ihm zu berichten. Für alle diese Aufgaben mußte man ihn ernst nehmen, und das war sehr schwer – es sei denn, man suchte den bequemsten Ausweg aus dem Dilemma zwischen dem namenlosen Entsetzen vor seinen Taten und der unbestreitbaren Lächerlichkeit des Mannes, der sie begangen hatte, und betrachtete ihn als schlauen, berechnenden Lügner – was er offensichtlich nicht war, wobei seine eigene Meinung in dieser Hinsicht wieder der Komik nicht entbehrte: »Eines der wenigen Talente, die mir das Schicksal mitgegeben hat, ist, die Wahrheit zusagen, soweit dies von mir abhängt.« Dieses Talent hatte er nicht erst jetzt entdeckt, als der Ankläger ihm Verbrechen anhängen wollte, die er nicht begangen hatte. In den chaotischen, unzusammenhängenden Notizen, die er sich in Argentinien zur Vorbereitung auf das Sassen-Interview gemacht hatte, als er – wie er selbst betonte – noch »im Vollbesitz meiner physischen und psychischen Freiheit« war, »von keinem beeinflußt oder bedrängt«, hatte er eine pathetisch groteske Warnung erlassen an »künftige Geschichtsschreiber«: »Mögen sie objektiv genug sein und nicht vom Pfad dieser hier niedergelegten Wahrheit abweichen« – grotesk schon deshalb, weil jede Zeile dieses Gekritzels seine absolute Unwissenheit über alles offenbart, was nicht unmittelbar technisch oder administrativ mit seiner Arbeit verknüpft war, und auch weil nirgendwo sonst sein außerordentlich schlechtes Gedächtnis so klar dokumentiert ist.
    Trotz der Bemühungen des Staatsanwalts konnte jeder sehen, daß dieser Mann kein »Ungeheuer« war, aber es war in der Tat sehr schwierig, sich des Verdachts zu erwehren, daß man es mit einem Hanswurst zu tun hatte. Und da dieser Verdacht das ganze Unternehmen ad absurdum geführt hätte und auch schwer auszuhalten war angesichts der Leiden, die Eichmann und seinesgleichen Millionen von Menschen zugeführt hatten, sind selbst seine tollsten Clownerien kaum zur Kenntnis genommen und fast niemals berichtet worden. Was sollte man mit einem Mann anfangen, der erst mit großem Pathos erklärte, daß er eines immerhin im Leben gelernt hätte, nämlich daß man niemals einen Eid schwören dürfe (»Ich würde heute, heute würde mich kein Mensch mehr dazu bringen, kein Richter mehr dazu bringen, etwa einen Zeugeneid zu leisten. Ich lehne es ab. Ich lehne es ab, und zwar aus, aus moralischen Gründen. Weil ich die Erfahrung gemacht habe, wie, wenn man sich an den Eid hält, dann hat man eines Tages die Konsequenzen zu ziehen. Ich habe mir fest vorgenommen, daß kein Richter der Welt in der Lage sein wird, mich je – oder überhaupt eine Stelle, ganz egal, welche – mich je wieder zu einer Eidesleistung zu verhalten. Freiwillig mach ich’s nicht, und zwingen lass’ ich mich nicht mehr«), und der dann, nachdem man ihm ausdrücklich gesagt hatte, daß er als Zeuge in eigener Sache »unter Eid oder ohne Vereidigung« aussagen dürfe, ohne Umschweife erklärte, er wolle lieber unter Eid aussagen? Oder der immer wieder und mit viel Gefühlsaufwand dem Gericht versichert hatte: daß er im Unterschied zu all den anderen die Konsequenzen zu tragen bereit sei, daß ihm an seinem Leben nichts liege und daß er Gnade nicht erwarte und um sie nicht bitten werde – das »stehe ihm nicht zu« –, und der dann auf Anraten seines Anwalts das übliche handgeschriebene Gnadengesuch einreichte?
    Was Eichmann anlangte, so handelte es sich hier lediglich um wechselnde Stimmungen, und solange er irgend imstande war, zu der jeweiligen erhebenden Stimmung die ihr entsprechende Redensart zu finden, ob er sie nun aus seinen Erinnerungen hervorholte oder improvisierte, war er

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