Eichmann-Syndikat: Tom Sydows fünfter Fall (German Edition)
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mit den Amis – davon hätten die Kumpels aus der Prinz-Albrecht-Straße [51] nicht zu träumen
gewagt.« Sydow gab ein verächtliches Schnauben von sich. »Kein Wunder, dass Ihresgleichen
versucht, die Wahrheit unter den Tisch zu kehren. Wenn nötig, mithilfe von Gewalt.
Wen kümmert schon Recht und Gesetz, wenn er Gefahr läuft, in den Knast zu wandern!
Und dann erst der Skandal, zu dem es unweigerlich kommen würde. Nicht auszudenken.
Gut möglich, dass er nicht einmal vor der Regierung haltmachen würde.«
»Was, bitte
schön, hat die Regierung Adenauer mit Adolf Eichmann zu tun?«
»Da fragen
Sie noch? Schon mal was von Kanzleramtschef Globke [52] gehört? Ich denke schon. Ihren Boss, Herrn Gehlen,
erst gar nicht zu erwähnen. Logisch, dass Sie nicht davor zurückgeschreckt sind,
einen Mord zu begehen. Es stand ja eine Menge auf dem Spiel.«
»Einen Mord
begehen? Ich?«
»Sie doch
nicht – wie dumm von mir, so etwas zu behaupten. Dafür hat man schließlich seine
Handlanger.« Kurz davor, sein Gegenüber am Schlafittchen zu packen, zog Sydow die
Hand im letzten Augenblick zurück. »Apropos Mord – da drüben, auf der anderen Seeseite,
befindet sich die Villa Marlier. [53] «
»Ich weiß
wirklich nicht, wovon Sie sprechen.«
»Und ob
Sie das wissen. Stichwort: ›Endlösung der Judenfrage‹. Na, fängt’s an zu klingeln?
Man schreibt den 20. Januar 1942. Im Gästehaus des SD findet sich eine illustre
Gesellschaft zusammen. Parteibonzen, Ministerialbeamte, hochrangige Offiziere der
SS. Vorsitz: Reinhard Heydrich, tatkräftig unterstützt von einem gewissen Adolf
Eichmann, der dazu vergattert wird, Protokoll zu führen. Einziger Tagesordnungspunkt:
Wie bringe ich es fertig, elf Millionen Menschen ins Jenseits zu befördern.«
»Alles,
was recht ist, Herr Kommissar, aber ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon Sie
sprechen.«
»Und ob
Sie die haben!« Langsam, aber sicher kochte in Sydow die Galle hoch. »Gestapo, BKA
oder BND – ihr Typen seid doch alle gleich. Alles, was die Mitglieder des Eichmann-Syndikats
brauchen, ist jemand, der euch einen Befehl erteilt. Und schon schlagt ihr die Hacken
zusammen. Mord, versuchter Mord, Erpressung – alles kein Problem. Recht und Gesetz?
Nie gehört. Hauptsache, der Befehl wird ausgeführt. Vorgesetzter befiel, wir folgen!«
»Schade,
Herr von Sydow – wirklich schade.«
»Um eine
Frau, die sich nicht wehren konnte? Um einen Paradiesvogel, der das Pech hatte,
zwischen die Fronten zu geraten? Um einen renitenten Kriminalhauptkommissar, der
sich weigert, nach Ihrer Pfeife zu tanzen?«
»Schon wieder
falsch, Herr von Sydow. Das habe ich nicht gemeint.«
»Erstens:
Das ›von‹, mein Bester, können Sie sich in den Hintern schieben.«
»Und zweitens?«
»Für den
Fall, dass Sie darauf spekulieren, mich durch eine Beförderung zu ködern – vergessen
Sie es. Daran bin ich nicht interessiert.«
»Ob Sie’s
glauben oder nicht: Das weiß ich bereits.«
»Von Onkel
Kurt?«
»Sie erwarten
doch nicht, dass ich meine Quellen preisgebe, oder?«
»Nein. Aber
ich erwarte, dass Sie endlich die Katze aus dem Sack lassen.«
»Keine Sorge,
Herr Kommissar – das werde ich.« Sichtlich vergnügt, riskierte der Unbekannte einen
Blick nach rechts, lächelte und schaute Richtung See, über dem es gerade zu dämmern
begann. Bleigraues Gewölk, so weit das Auge reichte, vermischt mit den Schatten,
die den Beginn der Nacht ankündigten. »Eines vorweg: Ob und wann es zu einem Wiedersehen
mit Ihrer Stieftochter kommt, hängt ganz allein von Ihnen ab.«
Aschfahl
im Gesicht, sprang Sydow wie elektrisiert auf. »Was sagen Sie da?«, schrie er, entwand
seinem Kontrahenten den Stock und riss ihn zu sich in die Höhe. »Lassen Sie Veronika
aus dem Spiel, hören Sie? Und überhaupt: Woher wissen Sie so genau Bescheid? Etwa
durch Wagenbach? Das würde diesem Schnösel wirklich ähnlich sehen!«
»Sie erwarten
doch nicht, dass ich meine Quellen …«
»Raus mit
der Sprache: Wen haben Sie angezapft?«
»Das tut
nichts zur Sache.«
»Ich zähle
jetzt auf drei. Wenn du bis dahin nicht ausgepackt hast, schlage ich dir die Fresse
ein!«
»Tun Sie
sich keinen Zwang an, Herr Kommissar.« Ohne eine Miene zu verziehen, ließ der Fremde
den Zornausbruch Sydows über sich ergehen. Zum Äußersten entschlossen, verstärkte
dieser daraufhin seinen Griff. »Eins kann ich Ihnen garantieren: Wenn Sie so weitermachen,
sehen Sie Ihre Stieftochter nicht wieder.«
»Falls du
es noch
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