Eiertanz: Roman (German Edition)
es nicht so schwer mit diesem Hallodri, Gina. Du hast dir die Sache mit Mirko schon so zu Herzen genommen, dabei hat er das gar nicht verdient. Übrigens hat er sich bei der Konkurrenz beworben, nachdem ich ihm ein für alle Mal klargemacht hab, dass wir nicht mehr zusammenarbeiten. Und was weiß ich, was er jetzt über mich erzählt. Merk dir eins, Schorschelchen, ein Mann kann nett sein, charmant, sexy, ausnahmsweise vielleicht interessant, in den seltensten Fällen auch toll. Aber er ist niemals, ich wiederhole: niemals!, ein Lebensinhalt. Auch, wenn es noch so schön mit ihm ist, auch wenn man erschüttert feststellt, wie viel man versäumt hat, bevor man ihn …« Sie hielt inne, richtete sich auf. »Was ist? Wollen wir langsam?«
Doch Regula machte ihrem Versuch, aufzustehen, mit einem warnenden Muhen ein Ende. Es gab noch etwas zu erledigen. Von meiner Seite aus. An Regulas Flanke dachte ich an Julia und Lutz, an alles, was wohl nicht mehr stattfinden würde, die Modenschau, die Haxe und die Küsse. Dann dachte ich an das Wunder, meinen Job, Christianes Not und ihre Großmut. Regula ließ mir Zeit, all das zu bedenken, dann schnaufte sie auffordernd, und ich setzte mich auf.
»Chris? Da ist noch etwas. Ich … äh … ich hab was gefunden.«
Als wir wieder am Haus anlangten, außer Atem, die Bademäntel über dem Arm, mit Grasflecken auf den Blusen, schaute uns die Sperrmüllgemeinde erwartungsvoll entgegen. Julia stand in der Tür, und selbst Lutz spähte durchs offene Küchenfenster, durch den aufsteigenden Dampf aus Kochtöpfen. Vor dem Sperrmüll hatte sich Therese aufgebaut, den Cowboyhut im Nacken, neben ihr trat der Bürgermeister verlegen von einem Fuß auf den anderen.
»Äh, da sans ja, Frau Breitner, guad, dass Sie kommen.« Er rieb sein gerötetes Gesicht.
»Was ist los? Ich hab es eilig. Sehr eilig.« Christiane machte mir Zeichen, ins Haus zu gehen, aber ich blieb stehen.
»Es geht um Ihren Müll«, sagte der Bürgermeister, strich sich über sein silbriges Haar, schwitzend bemüht um amtliches Hochdeutsch. »Also gewissermaßen darum, dass dieser Müll … Ja, unsre Mitbürgerin hot mich richtig drauf hingewiesen, wenns ned erben duan, also ich mein, wenns ned erben, dann gehört des Haus und damit auch dieser Müll ja gewissermaßen dem Staat, und dann ist es fei ganz schwierig mit dem Abtransport, also dann müssens gewissermaßen …«
»Bitte?« Christiane trat einen Schritt vor. Von ihrem leichten Schwips war nichts mehr zu spüren. »Was wollen Sie mir denn damit sagen?«
Der Bürgermeister rieb sich wieder die Stirn, holte Luft, aber bevor er ein Wort herausbrachte, sagte Therese: »Der Müll wird ned abgeholt. Der Müll kommt wieder rein. Ganz einfach. Entschuldigens, Herr Bürgermeister.«
Ein Raunen ging durch die Sperrmüllgemeinde, und der Bürgermeister hob seine Stimme: So sei es, das Haus müsse vorübergehend versiegelt werden, die Frist seit Mirls Tod – er sei Therese dankbar, dass sie ihn darauf aufmerksam gemacht habe – sei fast verstrichen, und noch sei ja nichts geklärt …
»Einen Moment«, unterbrach Christiane, mit ihrer tiefsten, vollsten Chefinnenstimme. »Vielleicht ist schon mehr geklärt, als wir denken. Gina, würdest du bitte das holen, wovon wir eben gesprochen haben?«
Die Laptoptasche hing am Kleiderständer. Mit zitternder Hand griff ich danach, rannte an Julia und dem lauschenden Lutz vorbei, wieder nach draußen. Erst, als ich vor der schweigenden Menge stand, fiel mir auf, dass ich den Bademantel immer noch über dem Arm trug. Ebenso wie meine Chefin. Beinahe gleichzeitig legten Christiane und ich unsere Bademäntel auf eins der Sofas, ich fischte den Brief aus der Tasche, und Christiane nahm ihn, zerbrach das Siegel, entfaltete ein Blatt. Während sie las, war es still, alle hielten den Atem an, die Augen auf ihr Gesicht gerichtet, nur die alte Burgl zischte einmal: »Es ghört ois der Kirch! Britschn! Hur!«
»Gä, Burgl, stad jetzt«, flüsterte es von mehreren Seiten. Dann sah Christiane auf, lächelnd. Mehr als das, strahlend. Als wäre ein Wunder geschehen. Sie räusperte sich.
»Als Erstes möchte ich Ihnen sagen: Der Müll bleibt, wo er ist. Bedienen Sie sich also! Soweit ich weiß, sind es noch zwei Tage bis zum Termin, am Zweiundzwanzigsten ist doch Sperrmülltag, nicht wahr, Herr Bürgermeister?« Allgemeines bestätigendes Murmeln, Nicken, dann verstummte die Gemeinde wieder erwartungsvoll. »Ich habe hier ein
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