Eiertanz: Roman (German Edition)
wahrscheinlich über Quirins bloßen Rücken kratzten. Was ihm sicher nichts ausmachte.
Ich sah es nicht, ich sah überhaupt nichts mehr, wollte nichts sehen von der wogenden, überwältigenden, schäumenden Wiedervereinigung zweier getrennter Liebender, in engem Rock und Highheels stolperte ich über die Wiese, einen Bademantel über dem Arm.
17.
D er Himmel über der Kuhweide war überzogen mit roten Schlieren. Es roch nach trockenem Gras und dezent nach Natur. Die Kühe hatten es sich beim Stall bequem gemacht, nur eine Kuh lag in der Nähe des Zauns. Regula. Ich erkannte sie an ihrem auffordernden Schwanzschlag, obwohl sie mir den Rücken zugewandt hatte, heute anscheinend Stallblick bevorzugte. Vorsichtig eierte ich auf meinen Echsenledernen näher zum Zaun. Noch immer traute ich mich nicht, die Weide zu betreten. Aber es ging auch so.
»Regula?«
Bejahender Schwanzschlag. Schweigen. Wartend. Auffordernd. Geduldig. Mütterlich.
»Warum muss ausgerechnet mein Liebesleben immer eine solche Katastrophe sein?«
Schweigend lud sie mich ein, noch etwas näher zu kommen.
»Es ist ungerecht, Regula, Regi, sag, dass es nicht fair ist.«
Regula sagte nichts, schien dafür die Frage aufzuwerfen, ob es im Leben jemals fair zuginge. Was mich empörte.
»Prinz Muffel, Regi, kannst du mir sagen, womit ich so was wie ihn verdient hatte?«
Ohrzwirbeln, das eine mögliche Antwort andeutete.
»Ja, du hast recht, er war ein lethargischer Küsser, ich hätte es wissen müssen. Niemand sollte mit einem lethargischen Küsser zusammenziehen, die sind alle gleich. Alles, was über eine simple Daumenbewegung auf ihrer Fernbedienung hinausgeht, ist ihnen zu viel, und ihr wildester Traum ist wahrscheinlich eine Fernbedienung für Frauen. Nach dem Sex abschalten, zum Aufräumen wieder ein. Aber jetzt sag mir bitte, woher ich hätte wissen müssen, dass dieser Dozent auf Zwerggeckos fixiert war? Regula, ich wette mit dir, wenn dieser Typ nachts mit ihnen alleine ist, lässt er sie auch über die kleinen Croissants auf seinen Boxershorts laufen. Ja, ich wusste, du würdest es auch grauenhaft finden. Und jetzt meinst du, es könnte nicht schlimmer kommen? Ha!«
Ich schniefte, und Regula schlug mit dem Schwanz, und jemand oder etwas – eine der anderen Kühe vielleicht? – lachte unterdrückt. Sicher nur Einbildung, außerdem war ich zu sehr in Fahrt, um darauf zu achten. An meinen Tränen schluckend, erzählte ich ihr von Mirko, der weißen Blume, die ich ihm ein Jahr lang in die Garderobe hatte schicken lassen, von Rallis Versuch, meine unglückliche Liebe abzuschaben wie Wachs von einem Täfelchen, und seinen Angeboten, mir wieder eine archetypische Überwältigungserfahrung zu bescheren, eine Erfahrung, die ich nicht gewollt hatte und heute noch bereute. Ich berichtete der aufmerksam lauschenden und ab und zu mit dem Schwanz schlagenden Regula auch von Mirkos Besuch und meinen Kochversuchen, sogar von der Margerite, die er für mich gepflückt hatte. Und Regula verstand, auch wenn für eine Kuh eine Margerite vielleicht weniger romantisch war als für mich.
»Aber er hat mich auch nur ausgenutzt, Regula. Wie es aussieht, bedeutet ihm Christiane alles, und ich bin nur ein billiges Mittel zur Versöhnung. Aber wer weiß, vielleicht wäre er auch nur ein Backpflaumenküsser gewesen, glaubst du nicht auch?«
Regula glaubte es, und ich trocknete meine Tränen mit einem Ärmel von Quirins Bademantel, den ich, ich hatte es gar nicht bemerkt, immer noch über dem Arm trug. Jetzt kam der schmerzlichste und wichtigste Teil meines Berichts, aber Regulas ruhiger Rücken sagte mir, dass wir auch das zusammen durchstehen würden.
»Weißt du, jetzt war ich über ein Jahr in Mirko verliebt, und dann, Regi, hat mich ein einziger Kuss davon kuriert. Aber es ist nicht nur Sex, glaub mir. Gibt es so etwas, dass man sich zu Hause fühlt in einer Umarmung? Oder dass man, jetzt halt mich nicht für albern, in einem Lächeln wohnen kann? Ach, das ist alles Quatsch. Er liebt nur seine Freundin, nicht mich. Chris hat recht, er will mich bestimmt nur verführen, um an irgendwelche Informationen heranzukommen. Und ich kann es noch nicht mal genießen, ich hab mich einfach nur in ihn verliebt und … Regula, was soll ich nur machen?«
Meine Tränen flossen in den Bademantelärmel, verschwommen sah ich Regulas Rücken, sah, wie sie den Kopf hob, zustimmend vermutlich, sah, wie sich hinter ihrem Rücken – es konnte nicht sein, aber es war
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