Eifel-Blues
Lieber!«
»Das ist nur ein bißchen geplatzt«, sagte ich. »Schon gut, ich habe nicht mal Kopfschmerzen. Hilf mir doch mal mit diesem blöden Gürtel. Wir müssen dem Jungen diese modische Bluse ausziehen und das Hemd.«
»Herrje!« sagte sie, und dann erst sah sie die beiden taubstummen Soldaten hinter sich. »Ist das die Sanitätskompanie?« Dann begann sie zu weinen, und ich sagte hastig: »Werd bloß nicht ohnmächtig. Wir haben nur ein Sofa.«
Es gab eine Reihe solcher flapsiger Bemerkungen von meiner Seite, bis Naumann den Flur entlangkam und fragte: »Was hat er jetzt wieder angestellt?«
»Mit mir ist nichts Besonderes, aber der hier hat eine Egge auf Kopf und Schultern gekriegt.«
Naumann hatte die beiden Soldaten in ihren Sesseln bemerkt und sagte nichts mehr, murmelte nur: »Laß mich mal!« Er drehte Lenz sehr energisch hin und her, dann auf den Bauch und sagte scharf: »Los, ihr beiden, bewegt euch, die Klamotten müssen runter. Dalli, dalli!«
Lenz sah nicht gut aus, und irgendwann hatte ich es satt, ihn anzustarren. Zuweilen habe ich mich ohnehin im Verdacht, mit dem Anblick von Blut nicht männlichkernig verfahren zu können. Ich verschwand still in die Küche und hockte mich an den Tisch. Mir war schlecht.
Es dauerte eine ganze Weile, bis Naumann hinüberkam und sagte: »Elsa redet dauernd von rohem Fleisch und kann Sie nicht ansehen. Was ist denn mit Ihnen? Prügel gekriegt?« Er grinste und murmelte etwas von Nähen. Also nähte er meine Augenbraue und die alte Wunde hinter dem Ohr, die jetzt wieder neu war. Er hielt meinen lädierten Schenkel für wert, einen anständigen Druckverband zu bekommen.
»Was war denn?«
»Sie haben mir in der Garage aufgelauert.«
»Von Messner geschickt?«
»Das weiß ich nicht. Ich möchte, verdammt noch mal, wissen, wie es diesem Messner gelingt, diese Truppe dermaßen anzuheizen, daß sie wie die Teufel sind, brutal und ohne jede Idee von Freundlichkeit.«
»Dann sollten Sie mal an Goebbels oder an seinen Meister denken. Die haben es nahtlos geschafft, aus Biedermännern menschliche Schweine zu zimmern – nur durch Reden. Seien Sie doch nicht so naiv, Baumeister.«
»Scheiß drauf. Die reden ja doch nicht. Lassen wir sie laufen.«
»Sind Sie verrückt?« Er steckte seine Utensilien in die Tasche zurück, winkte mir zu und ging hinüber in das Wohnzimmer. Er sagte großartig: »Herr Baumeister sieht zunächst von einer Anzeige ab. Ich hole jetzt einen Bundeswehrsani. Lenz muß ins Krankenhaus.«
Elsa saß hinter meinem Schreibtisch, rauchte abwesend eine Zigarette und sah mich so an, als hätte sie mich eben erst kennengelernt.
Ich sprach mit Naumann über Erdkröten, hier über eine spezifisch dicke grünlichbraune, die angeblich ihre Kinder monatelang auf dem Rücken spazierenträgt. Wir sprachen auch über die Möglichkeit, Feuersalamander von Zoos zu beziehen und wieder an Mutter Natur zu gewöhnen.
Die ganze Zeit über, in der wir auf das Sanitätsauto warteten, sagten die beiden Soldaten kein Wort, starrten auf den Teppich und zündeten eine Zigarette an der vorhergehenden an. Lenz schlief, weil Naumann ihm eine Spritze gegeben hatte.
Naumann, das war sehr deutlich, wurde immer nervöser, zupfte sich am Hemdkragen, sah auf die Uhr, stopfte sich eine Pfeife, vergaß sie anzustecken.
Dann platzte er. Er drehte sich zu den beiden Soldaten herum und fauchte: »Also ich mache diesen Unsinn nicht länger mit. Sie kommen mit Ihrem Kameraden Lenz hierher. Lenz versucht, Herrn Baumeister zu verprügeln. Das mißlingt. Und Sie haben die ungeheure Frechheit, sich hierherzusetzen und einfach den Mund zu halten, als ginge Sie das alles nichts an. Sie sind einfach brutal, und wenn es schiefgeht, halten Sie die Schnauze. Können Sie mir endlich einmal sagen, was da denn für eine Spionagegeschichte laufen soll?«
Der kleinere, bleichere sagte mit schnellem Blick auf seinen Kumpel: »Hauptmann Hartkopf hat uns dringend geraten, vor Zivilisten nichts auszusagen.«
Naumann stand auf und ging zwischen Tür und Kamin hin und her. »Hören Sie zu. Hier werden Zivilisten am laufenden Band von Soldaten verprügelt. Ich sehe das, ich muß die Patienten versorgen. Und kein Mensch weiß, warum das alles geschieht. Machen Sie das Maul auf, was ist mit Spionage?«
»Es geht wirklich um Spionage«, sagte der Bleiche. Er hatte Angst, und er zitterte. »DDR-Leute spionieren die Depots aus, und sie kriegen hier Hilfe von irgendwelchen Agenten. Der DDR-Laster war
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