Eifel-Bullen: Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
eigentlich kein Mensch zurecht.«
»Hat die Gaby also bei den Eltern gewohnt?«, fragte ich so ruhig und nebenher wie möglich. Ich dachte: Ich muss sie langsamer machen, sie darf jetzt nicht fahrig werden. Gleichzeitig spürte ich meine Hilflosigkeit.
»Ja, die haben ihr schon vor vielen Jahren eine Einliegerwohnung vermietet. Ich muss da gleich unbedingt hinfahren. Das ist das Wenigste, was ich tun kann.« Sie wurde immer hektischer, steckte sich eine Zigarette in den Mund und vergaß sie dann. Sie wollte etwas sagen, bemerkte die Zigarette, riss sie sich wütend von den Lippen und warf sie auf den Teppichboden. Dann starrte sie mich mit tränenumflorten Augen an, aber ich glaubte nicht, dass sie mich wirklich sah. Sie war in einem anderen Land. Sie nahm ihre Kaffeetasse und wollte etwas trinken, aber sie traf ihren Mund nicht, und ein wenig Kaffee lief ihr über das Kinn. Sie schrie: »Verflucht!«
»Ich gehe dann«, sagte ich. »Ich hoffe, ich kann irgendwann wieder zu Ihnen kommen.«
Sie erstarrte, sie kam wieder bei sich an. Sie streckte beide Arme aus und flüsterte sehr verwirrt: »Das tut mir leid, das wollte ich nicht, das tut mir sehr leid. Bitte, verzeihen Sie.«
»Das ist schon in Ordnung«, sagte ich. »Das ist ein großer Schmerz. Wenn es Ihnen hilft, gehe ich jetzt. Ich rufe Sie an und frage nach.«
»Ich habe ja die Sache mit Marlene noch nicht erzählt. Sie dürfen niemals sagen, dass das ein Selbstmord war. Eigentlich wollten wir das nie erzählen.«
»Wenn diese Sache irgendeine Rolle bei den beiden Erschossenen spielt, werde ich Sie anrufen und treffen. Einverstanden?«
»Ja.« Sie nickte bedachtsam, sie würde sich an meine Zusage erinnern. »Es war damals so, dass Marlene mit einem Mann zusammen war. Das dauerte nur drei, vier Monate. Vielleicht auch fünf. Wir wissen nicht, mit wem, und wir haben das auch nie herausgefunden. Und Marlene war schwanger von diesem Mann. Sie ging zu ihrer Mutter, um darüber zu reden. Also, wir wussten, dass sie darüber mit der Mutter sprechen wollte. Was bei diesem Gespräch genau abgelaufen ist, wissen wir nicht. Wir waren später entsetzt, dass Gabys Mutter die Geschichte nicht glaubte. Und die Schwangerschaft auch nicht. Ob Marlene auch mit ihrem Vater darüber gesprochen hat, haben wir nie erfahren. Marlene ist jedenfalls nach dem Gespräch mit der Mutter verschwunden. Es war ein wildes Gespräch. Es war spät in der Nacht. Sie haben sie am nächsten Morgen unterhalb der Felsen in Gerolstein gefunden. Sie war natürlich tot. Sie ist mit ihrem Fahrrad dorthin gefahren. Es war die Rede von einem tragischen Unglücksfall, der Meinung war auch die Polizei. Die Beamten haben sicherlich so sauber wie möglich gearbeitet. Und sie kamen zu dem Schluss, dass Marlene allein war, dass niemand sie begleitet oder gar hinuntergestoßen hat. Es gab auch keinen Grund, Marlene … also Marlene genau zu untersuchen.«
»Hat denn Gaby nicht mit der Mutter gesprochen?«
»Doch ja, selbstverständlich. Aber die Mutter hat gesagt, die Kleine wäre vollkommen verwirrt gewesen und hätte sich das alles sicher nur eingebildet. Marlene hatte tatsächlich zu viel Fantasie, manchmal so krass, dass wir darüber gelacht haben. Die Mutter hat völlig verstört zu Gaby gesagt: ›Du weißt doch, dass deine Schwester sich solche Sachen einbilden konnte, das Kind hatte immer schon eine überschäumende Fantasie.‹ Egal, die Trauer war riesig, und im Grunde ist sie das immer noch. Ich glaube, die sind nicht darüber hinweggekommen. Gaby hat mit ihren Eltern nie mehr darüber gesprochen. Sie hat mir mehrmals gesagt, es wäre einfach besser, darüber zu schweigen, denn diese Eltern litten Höllenqualen.«
»Aber Gaby wollte den Mann suchen, nicht wahr?«
»Wollten wir beide, wollten wir immer. Wie kommen Sie darauf?«
»Gaby ist Polizistin geworden, nicht wahr? Ist sie weitergekommen bei ihrer Suche?«
»Es ist nicht so, dass sie deswegen Polizistin wurde, oder jedenfalls nur am Rande. Sie sagte immer wieder, dass sie den Kerl irgendwann ganz nebenbei entdecken würde. ›Da führt kein Weg drumherum‹, sagte sie immer. Und vor einer Woche ungefähr hat sie am Telefon gesagt, dass sie jetzt ziemlich sicher weiß, wer es war. Aber das dürfen Sie unter keinen Umständen weitergeben.«
»Aber Gaby hat keinen Namen genannt?«
»Nein, hat sie nicht.«
»Und Sie selbst? Haben Sie keine Vorstellung oder eine Ahnung?«
Sie überlegte eine Weile. »Habe ich wirklich nicht«, sagte
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