Eifel-Bullen: Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
Lichtmasten ausgefahren. Kischkewitz ließ sich bei beiden Toten auf die Hacken nieder und starrte sie für Minuten an. Dann ging er zurück vor den Streifenwagen, sprach kein Wort, dann die paar Schritte zu der Fahrertür des Streifenwagens. Er nahm sogar seine Dienstwaffe und schwenkte sie schnell und resolut auf das erste, dann auf das zweite Opfer. Klar, er wollte im eigenen Kopf für Klarheit sorgen. Wer hatte wie, mit welcher Wahrscheinlichkeit die beiden Schüsse abgefeuert? Kischkewitz ist dann bekanntlich ganz still und sagt kein Wort. Und niemand, wirklich niemand störte ihn. Nicht mal die Medizinerin wollte an die Leichen heran, alles wartete auf Kischkewitz. Die Spurenleute kennen den Kischkewitz, sie wissen: Wenn er vollkommen lautlos einen Tatort trinkt, wenn er ihn ganz in sich aufnimmt, kann er noch Monate später sagen, wie viele Millimeter der Abstand zwischen einer Zigarettenkippe und einem kleinen Ast betrug. Ich habe dir davon erzählt, von der Wichtigkeit eines solch lautlosen Vorgangs. Diesmal zog es sich hin, sie schickten den Hubschrauber weg, damit man wenigstens sein eigenes Wort verstehen konnte. Die Spurenleute waren hibbelig, der Fotograf durfte noch nicht herumrennen und Bilder schießen, sogar mir dauerte das zu lange. Aber ich bin auch der Mann, der ihm das beigebracht hat. Dann kommt ein schwerer BMW herangerollt, silbermetallic, ein Mann in Anzug und Krawatte steigt aus und sagt ganz laut: ›Mein Name ist Sowieso, ich möchte den leitenden Beamten hier sprechen!‹ Niemand sagte ein Wort, Kischkewitz hockte gerade zum sechsten Mal neben der Leiche von Horst Walbusch. Wahrscheinlich hatte er sechzig bis siebzig Fragen an den Tatort, jedenfalls reagierte er nicht. Da sagt der Mann ungeduldig: ›Kann vielleicht Herr Kriminalrat Kischkewitz ein paar Worte mit mir sprechen? Ich bin ein Anwalt der Bürgerschaft, ich sitze im Landtag.‹ Kischkewitz erwiderte keinen Ton, wahrscheinlich hatte er den Mann gar nicht gehört. ›Höflich ist man hier bei der Polizei wohl nicht!‹, sagte der Landtagsabgeordnete ziemlich laut und scharf. Dann passierte es. Ich glaube, Taubner war es. Der ging zu diesem Mann und sagte gedämpft: ›Ich bitte Sie um Ruhe, Rat Kischkewitz wird gleich Zeit für Sie haben.‹ – ›Das ist ja wohl unerhört!‹, brüllt der Mann. ›Wie geht man denn hier mit mir um?‹ In diesem Moment kommt Kischkewitz aus dem Schatten am Streifenwagen hoch und sagt: ›Wenn Sie mir einen Gefallen tun wollen, dann stören Sie uns hier nicht. Rufen Sie mich morgen auf der Dienststelle an.‹ Der Abgeordnete kriegt sich nicht mehr ein, bläst sich auf und will gerade loslegen, als Kischkewitz eisig hinzusetzt: ›Wer immer Sie sind, Sie stören mich erheblich, wir kümmern uns um zwei getötete Kollegen.‹ Da brüllt der Mann: ›Das weiß ich doch! Ich bin doch nur hier, um Sie darum zu bitten, dass der Fall möglichst schnell und stillschweigend über die Bühne gebracht wird, ehe ganz Eisenschmitt in Unruhe gerät! Ehe sich die Bevölkerung aufregt und in Angst fällt.‹ Es war vollkommen still, Kischkewitz sagte seelenruhig: ›Sie zeigen eine merkwürdige Auffassung von der Arbeit der Polizei. Verschwinden Sie, Sie halten uns nur auf, mein Bester. Sie haben null Ahnung, und Sie stören mich massiv.‹ Ende der Szene. Der Mann setzte sich aufgebracht und beleidigt in seinen BMW und verschwand. Kischkewitz war stinksauer und brütete Unheil aus. Jetzt warten das Polizeipräsidium in Trier und die Mordkommission auf einen Beschwerdebrief des Abgeordneten. Tatsächlich war es ein wunderbares Zwischenspiel, weil auch der Fall so ratlos macht. Das schuf auf jeden Fall eine eiskalte Stimmung, und es schuf Wut. Und Wut brauchten wir auch bei dem Tatort. Aber alles in allem hat Kischkewitz natürlich recht, und der Abgeordnete ist auf ewig ein Trottel.«
»Er wird sich an seinen Landrat wenden, wird das Innenministerium anschreiben, seine Fraktion informieren, bei der Staatsanwaltschaft und im Polizeipräsidium vorstellig werden und im Zweifel der Öffentlichkeit seinen Protest mitteilen«, sagte Tessa Brokmann. »Also bekomme ich das Ganze auch auf den Tisch und werde um eine Stellungnahme gebeten.«
»Aber was schreibst du in einem solchen Fall?«, fragte Emma. »Es kann doch nur darauf hinauslaufen, dass der Landtagsabgeordnete völlig lebensfern versuchte, an einem ganz frischen Tatort etwas für seine Bevölkerung zu tun. Und das war auch noch vollkommen indiskutabel und
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