Eifel-Bullen: Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
von mir hat die Szene geschäftlich genannt, und komischerweise trifft es das genau. Sie sind wahrscheinlich dorthin bestellt worden. Sie kamen an, sie stiegen aus dem Streifenwagen aus, sie wurden beide mit einem Kopfschuss getötet. Nichts, aber auch gar nichts deutet darauf hin, dass eine Gefahr auf sie zukam. Sie haben nicht einmal ihre Waffen gezogen. Ich glaube, der, der sie dorthin bestellte, war so etwas wie ein Bekannter, von dem keinerlei Gefahr ausging.«
»Ich habe sofort ein Bild von uns beiden rausgekramt und in einen Rahmen getan«, sagte sie. »Hinter Ihnen, auf dem Regal.« Dann klirrte leise Geschirr, eine Schranktür wurde geschlossen.
Ich stand auf und drehte mich herum. Vor einer Reihe von Büchern war eine Fotografie in einem grünen Holzrahmen aufgestellt. Beide Frauen hatten die Köpfe eng zusammengesteckt und lachten in die Kamera. Gaby Schirmer war eine schöne, blonde Frau, und Sarah Bitter hatte ihr mit rotem Filzstift ein Herz über den Kopf gemalt. Wahrscheinlich, um sich daran festzuhalten.
Sie kam zurück und stellte die Tassen, die Milch und den Zucker auf den Tisch.
»Wann wurde das Foto gemacht?«, fragte ich.
»Vor ein paar Wochen, hier im Haus. Das war der Abend, an dem ich beschlossen habe, mich von meinem Freund zu trennen.«
»Und Gaby Schirmer hat Sie bei dem Entschluss unterstützt?«
»Nein, so einfach war das nicht. Sie sagte, ich solle mir Zeit lassen und keine Angst haben. Und ihr Rat für mich war auch viel nötiger als die ganze Trennung selbst. Irgendwie lief mir die Zeit weg. Ich war so nervös.«
»War denn Gaby Schirmer manchmal nervös?«
»Gute Frage. Nervös und Gaby bringt man schlecht zusammen. Sie war eher ruhig. Also, immer, meine ich. Alle anderen waren hibbelig, nur Gaby war die Ruhe selbst.«
»Jemand hat behauptet, Gaby hätte sich um geklaute Edelautos gekümmert. Kann das sein?«
»Das kann gut sein. Wenn am Nürburgring die Deutsche Tourenwagen Masters ausgetragen wurde, war sie da. Jedes Jahr. Das hat sie fasziniert, davon konnte sie nie genug kriegen.«
»Kannte sie jemanden, der solche Rennen fährt?«
»Das kann ich nicht beantworten, das weiß ich nicht. Aber ich denke, das hätte sie mir gesagt.«
»Es ist gesagt worden, dass sie eigentlich Medizin studieren wollte. Stimmt das?«
»Das wollte sie, das stimmt. Aber beim Abi hat nicht alles gestimmt, der Notendurchschnitt reichte nicht. Dann wollte sie in die Sozialarbeit gehen. Sich kümmern um die, die es nötig haben. Um Kinder und Jugendliche. Aber das wurde es dann auch nicht.«
»Aber warum Polizei? Zwischen Medizin und Polizei liegen doch Welten, oder?«
»Also, das finde ich nicht.« Ihre Stimme wurde um einiges schärfer. »Bei ihr zu Hause wurde das heftig diskutiert. Ihre Mutter hat gesagt, dass auch die Polizeiarbeit ein Dienst an der Öffentlichkeit wäre. Ihr Vater war dagegen, er meinte, die Polizei wäre ein typischer Machoverein. Jedenfalls wurde es die Polizei. Die Ausbildung war eine Art Kasernenbetrieb, sagte sie, und das konnte sie schlecht aushalten. Anfangs war sie ein paarmal ganz unten, saß hier und hat geheult. Aber dann wurde es besser. Außerdem wollte sie sowieso zur Kripo überwechseln, also raus aus dem uniformierten Dienst.«
»Heulen? Bei einer so ruhigen Person?«
»Das kam vor. Selten, aber es kam vor. Und anfangs war ja auch Marlene daran schuld.«
»Wer ist das?«
»Marlene war ihre Schwester.« Sie senkte ihren Kopf sehr schnell, als wollte sie vermeiden, dass jemand sie weinen sah. Sie schniefte heftig, sie legte eine Pause ein.
»Wieso war?«
»Sie ist tot, sie nahm sich das Leben. Also …« Sie hob beide Hände sehr schnell und legte sie sich auf die Wangen.
»Wann war das?«
»Marlene war damals achtzehn, und Gaby war zweiundzwanzig. Wir haben Marlene immer unser Küken genannt. Ja, sie waren vier Jahre auseinander. Vor zehn Jahren war das.« Sie weinte wieder völlig lautlos. »Das war ein verrücktes, durchgedrehtes … und ich hatte damals Angst, dass auch Gaby irgendwie durchdreht.« Sie griff nach einem Papiertaschentuch auf dem Tisch und trompetete hinein. Sie murmelte nuschelnd: »Entschuldigung.« Dann räusperte sie sich heftig und wischte sich mit dem Tuch über die Augen. »Mich macht das immer noch fertig, und ich denke gerade, dass ich unbedingt zu ihren Eltern nach Daun fahren muss. Die sind ja jetzt allein, die haben kein Kind mehr. Oh Gott, das ist richtig schwer, hoffentlich kommen die zurecht. Obwohl: Damit kommt
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