Eifel-Bullen: Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
doch gar nicht, ich lebe gern hier. Und ich lebe hier ganz freiwillig.« Ich fand ihre Frage ziemlich dürftig, und ich glaube, ich war auch leicht sauer. »Ich würde gern erfahren, warum sich Leute meinen Kopf zerbrechen. Wohin würdest du mich denn verpflanzen wollen?«
»In eine Großstadt, wo das Leben braust«, sagte sie und lachte. Das Lachen fand ich gut, es klang ganz unbeschwert.
»Also Berlin oder Köln oder München? Aber da war ich doch schon. Und ich möchte eigentlich nicht unter Leuten leben, die alle paar Minuten in eine Ecke verschwinden, oder zum Lokus marschieren, um leicht fiebrig nachzusehen, ob irgendwer ihnen eine Botschaft sendete, oder angerufen hat oder auf der Matte steht oder behauptet, er sei ihr bester Freund. Wir vereinzeln, junge Frau, wir sind immer einsamer und können das noch nicht einmal sagen.«
»Du meinst, uns fehlen kluge Köpfe?«
»Nein, nein, ich meine uns fehlen kluge Köpfe, die das auch sagen, mal über den Zaun gucken, Protest anmelden, bemerken: Verpisst euch!, oder die bei Gelegenheit den Standpunkt vertreten, der liebe Gott sei auch nicht mehr das, was er mal war, oder die darauf aufmerksam machen, dass ihre gottverdammten Kinder durchaus nicht in der Überzeugung aufwachsen müssen, ihnen stünde die ganze Welt offen, sie könnten alles erreichen, auf jeden Fall aber mit spätestens achtzig Jahren einen zittrigen Zustand vorläufigen Glücks für mindestens eine Woche. Wann warst du denn zuletzt einmal richtig glücklich?«
Sie hob die rechte Hand, streckte den Zeigefinger mahnend in die Höhe, strahlte mich an und sagte: »Das kann ich genau festlegen. Das war der Tag, an dem mein Ehemann sagte, er würde in die Scheidung einwilligen.«
Wir lachten zusammen, ich rannte in die Küche, um nach dem Kaffee zu sehen. Ich suchte Becher, Zucker und Milch zusammen, trug es hinüber in das Wohnzimmer und sagte: »Also, ich bin nicht immer so bissig.« Erst lächeln, dann lügen.
»Wie viele Frauen hast du denn verschlissen?«, fragte sie. »Wie viele haben entnervt aufgegeben?« Sie griff nach der Kanne und goss uns Kaffee ein.
»Frauen verschlissen? Das will ich aber nicht gehört haben. Hat das Emma gesagt? Das würde zu ihr passen.«
»Nein, das hat sie nicht so formuliert, das habe ich jetzt gesagt.«
»Vier oder fünf in den letzten paar Jahren. Aber ich bin vielleicht auch zu anspruchsvoll. Ich sehe auch nicht, dass sich das ändert. Es geht mir doch gut, ich kann doch nicht klagen ...«
»Und von Zeit zu Zeit eine für das Bett. Ganz unverbindlich.« Sie sah mich an, als hätte sie das eigentlich sich selbst gefragt. Ihre Augen waren ganz weit weg.
»Das kann so geschehen, ja.«
»Und dann träumst du trotzdem, dass es für die Ewigkeit ist, oder?«
Erst lächeln, dann lügen! »Ich denke, ich habe diesen Traum nicht mehr. Das ist Ballast, das will ich nicht mehr.«
»Baumeister, du lügst!«
»Ich lüge nicht. Das hake ich einfach ab, das passt nicht mehr in mein Leben. Außerdem ist es verdammt anstrengend, bei jeder neuen Frau das eigene Leben neu zu organisieren, auch wenn du glaubst: Nun ist es für die Ewigkeit. Die gibt es eben nicht. Hast du Kinder?« Sehr gut, diese Frage, sieh zu, wie du damit klarkommst.
»Ja, habe ich. Ein Mädchen, ein Junge, zwölf und neun Jahre alt. Sie sind mein Leben geworden. Das war nicht immer so. Hast du Kinder?«
»Herzlichen Glückwunsch«, sagte ich und meinte das auch so. »Ja, ich habe eine Tochter, aber keine Verbindung mehr. Ich weiß nicht genau, warum, aber vielleicht ändert sich das eines Tages.« Völlig harmloses Gelände.
Sie trank von dem Kaffee. »Wir müssen alle so verdammt weite Wege gehen«, bemerkte sie. Sie hatte ihre Fußnägel feuerwehrrot lackiert, das sah fröhlich aus. Ungeschminkt war ihr Gesicht richtig schön.
Sie beugte sich unvermittelt weit vor. »Ich glaube, ich möchte jetzt doch schlafen gehen.«
»Das ist ganz einfach. Ich habe oben ein breites Bett, die linke Hälfte davon jungfräulich. Die nimmst du, und ich schlafe hier unten. Das tue ich oft.«
»Das ist doch Unsinn«, sagte sie. »Ich hole mir das Zeug und schlafe hier unten. Und wir haben, wenn wir aufwachen, noch einen Kaffee.«
»So machen wir das«, nickte ich.
Es gab das übliche nervöse Hin und Her, wenn zwei Erwachsene sich bemühen, den anderen auf keinen Fall zu stören. Dann bekam ich einen Kuss auf die Stirn und wir sagten uns Gute Nacht. Ich glaube nicht, dass ich mehr als eine Minute brauchte, um
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