Eifel-Connection
dass das Geschäft mit dem Schmuggel einen ungeheuren Gewinn bringt.« Er senkte den Kopf, schloss die Augen, konzentrierte sich. »Sie brauchen zunächst einen klassischen Paten. Dieser Pate stellt die Firmen und Hallen, die Sie brauchen, in Bereitschaft, und selbstverständlich die kleine Gruppe von Mitwissern und die gesamte Transportlogistik. Er kontrolliert Firmen, gründet sie sogar eigens für seinen Zweck. Er hat in der Regel ganze Gruppen von Spezialisten hinter sich, die die Teile des Systems verantworten. Nehmen wir an, es geht um erstklassigen englischen Whisky. Die Flasche kostet in der Herstellung etwa zwei bis drei Euro. Der englische Hersteller verkauft eine große Charge davon an eine englische Firma namens X. Sagen wir, es geht um zwanzigtausend Flaschen. Die Firma X versendet die Flaschen unter Steueraussetzung an eine niederländische Firma N, die ebenfalls ein Steuerlager ist. Das heißt, die jeweiligen staatlichen, sehr hohen Steuern wie Branntweinsteuer oder Genusssteuer, werden nicht erhoben. Die zwanzigtausend Flaschen werden in Europa begleitet von den entsprechenden Verwaltungsdokumenten, sodass alle beteiligten staatlichen Stellen diese Papiere sehen und überprüfen können. Theoretisch. Jetzt ist also der Whisky in den Niederlanden. Vom Lager N in den Niederlanden wird der Whisky an ein Steuerlager in Deutschland D versendet, das heißt, auch hier fallen keinerlei Steuern an. Das Lager in Deutschland verkauft die Ware dann offiziell an ein Lager in England, ebenfalls unter Steueraussetzung. Der anschließende Transport erfolgt durch Spediteure, die der Pate vorher ausgesucht hat, die ihm bekannt sind, die bei dem Spiel also mitmachen. Wenn diese Ladung nach England nicht entdeckt wird, wenn der Zoll an den Seehäfen nichts davon mitbekommt, erreicht die Ware also erneut ein englisches Lager, so wird das deutsche Lager informiert, dass die Ware angekommen ist. Das deutsche Lager vernichtet jetzt alle Papiere und erfindet eine neue Spur. Es sendet die Ware angeblich nach Spanien, ebenfalls wieder mit begleitenden Papieren. Der Transport dieser Papiere wird in der Regel von Kurieren erledigt. Von Spanien aus wird die Ware dann in irgendein Land außerhalb Europas verkauft. Aber nur auf dem Papier. Das heißt: Die zwanzigtausend Flaschen Whisky sind ziemlich schnell von England über die Niederlande nach Deutschland und zurück nach England gegangen. Der Vorgang ist einfach und wird auch noch von der Bürokratie begünstigt, weil eventuelle behördliche Anfragen nach diesen zwanzigtausend Flaschen etwa ein Jahr brauchen, ehe sie beantwortet werden. Eine Flasche Whisky dieser Güte kostet in England im offiziellen Handel etwa 60 Euro. Das heißt, dass der Pate alles in allem einen Gewinn von etwa 58 bis 57 Euro pro Flasche macht. Bei zwanzigtausend Flaschen sind das rund 1,1 Millionen Euro. Natürlich hat der Pate nach Erledigung seines Geschäftes die Firma in Spanien aufgelöst, niemand der Verantwortlichen ist mehr greifbar. Der Pate kann sich andere Fischzüge ausdenken und sie starten. Das Ganze ist übrigens zur Erheiterung des Publikums auch schon einmal mit fünfhundert Mastschweinen durchgezogen worden, die real niemals den heimischen Stall verließen, aber in sechs europäische Länder verkauft wurden. Das ist aber nur eine der vielen möglichen Varianten, und dabei gilt die Regel, dass der Transport dieser zwanzigtausend Flaschen Whisky von Lager zu Lager besonders schnell vonstatten gehen muss, damit die behördliche Bürokratie Monate hinterherhinkt und zuletzt einfach aufgeben muss, weil Firmen und Beteiligte spurlos verschwunden sind. Es muss auch deshalb schnell gehen, weil lange Fahrtstrecken, Umwege, langes Lagern die Möglichkeiten der Entdeckung vergrößern. Mit einem Wort: Der Warenumsatz in den illegalen Lagern ist sehr hoch.« Er hielt einmal kurz inne, konzentrierte sich neu und fuhr fort: »Wir gehen davon aus, dass in den Seehäfen bestenfalls nur jeder zehnte Lkw flüchtig untersucht wird, nur jeder dreißigste Lkw gründlich. Also, die durchaus meisten Lkws kommen durch. Es kommt noch hinzu, dass es in jedem Land Zöllner gibt, die gegen Bares bestimmte Lkws einfach durchfahren lassen. Bei den geheimen Lagern, die gern in der Eifel aufgebaut werden, spielt die geografische Lage eine besondere Bedeutung. Die Eifel liegt wie ein Riegel vor allen westeuropäischen Staaten. Also werden hier von den Schmugglern am liebsten ausgediente, leerstehende Hallen in kleinen
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