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Eifel-Feuer

Eifel-Feuer

Titel: Eifel-Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Und noch etwas, damit Sie mir glauben: Rodenstock ist ein älterer freundlicher Herr mit Brille und weißen Resthaaren, nicht übergewichtig, aber mit leichtem Bauch. Wirkt ungeheuer freundlich, ist auch freundlich, kann aber messerscharf denken, was Ihnen als Chirurg gefallen müßte – wenn Sie überhaupt ein Chirurg sind. Er hat, das ist mal sicher, Hodenkrebs, der als Alterskrebs bezeichnet wurde. Er ist Kriminalrat a. D., leitete die Mordkommission in Trier und vernachlässigt sich sträflich.«
    »Ich kann Ihnen nicht einmal sagen, ob wir einen derartigen Patienten haben.« Kirsch lachte leise. »Aber so Patienten hätte ich gern, das gebe ich zu. Also: Was wollen Sie wirklich?«
    »Ich suche ihn, ich suche ihn dringend. Da gibt es eine Frau, die pausenlos heult. Und ich brauche ihn, weil ein Mordfall ansteht und er mir helfen soll. Und ich denke, er hat dem Personal bei euch den Befehl erteilt, so zu tun, als sei er gar nicht vorhanden, und vor allem keine Besucher zuzulassen. Das läuft aber nicht. Der Mann wird gebraucht. Ich vermute sowieso, daß er Ihnen Rätsel aufgibt. Denn wahrscheinlich steht sein Krebs, ist akut keine Gefahr, nur der Mann ist vollkommen durcheinander, melancholisch bis depressiv. Möglicherweise hat er erzählt, daß er mit einer Frau schlafen wollte und nicht konnte und daß er deshalb glaubt, es gehe dem Ende zu.«
    »Reden Sie immer soviel?«
    »Nein. Außer, es geht um Rodenstock. Also: Ist er bei Ihnen? Und ist er in Gefahr?«
    »Ob er hier ist, weiß ich nicht, darf ich nicht wissen. In Gefahr ist er nicht. Reicht das?«
    »Das reicht. Danke schön. Liegt der Mann überhaupt, oder spaziert er einfach nur herum?«
    »Wir haben ihm ... Also, sagen wir mal so: Er ist, soweit ich das beurteilen könnte, wenn ich den Mann zu behandeln hätte, nach Ihren Schilderungen durchaus nicht bettlägerig zu nennen. Nun ist es aber gut.«
    »Danke schön«, wiederholte ich und hängte ein. Ich lobte lautlos meine zuweilen jesuitische Denkweise und legte dann eine CD von Giora Feidmann ein. Er ist, soweit ich weiß, der einzige Jude auf der Welt, der in der Philharmonie zu Köln dem Publikum sagte, Musikstücke seien im Grunde wie Blumen und niemals führten sie Krieg – und dann das Deutschlandlied auf der Klarinette blies, leise, verhalten, mit ganz sanfter Begleitung, eben ein Quartett von Haydn. Ich stellte die Lautsprecher bis zum roten Strich auf, es klang pompös, und falls draußen die Herren Geheimdienste es hörten und sich wunderten, so war mir das scheißegal. Dann wählte ich das Ave Maria und ließ den Feidmann verhalten jubeln. Emma kam herein und fragte etwas streng: »Feierst du irgendwas?«
    »Ich feiere«, nickte ich. »Rodenstock ist auferstanden, Mädchen, ich habe ihn erwischt.«
    »Wo ist er?« fragte sie explosiv. Dann schloß sie die Augen und schüttelte den Kopf. »Will ich jetzt gar nicht wissen. Geht es ihm gut?«
    »Es geht ihm gut.«
    »Wo ist er denn?«
    »Im Krankenhaus in Trier.«
    »Was hat er?«
    »Eigentlich nichts. Oder eigentlich viel. Das mit der Impotenz, weißt du, das hat ihn wahrscheinlich geschmissen. Ihr Frauen könnt das nicht nachvollziehen. Er hat wohl gelitten wie ein Tier ...«
    »Baumeister, hör auf. Ich will mich ja bessern ...«
    »Das mußt du nicht mir sagen. Sag es ihm.«
    »Werde ich.« Sie hatte Tränen in den Augen. »Kennst du das Lied der Shoa, das, was sie in den Ghettos und Vernichtungslagern gesungen haben? Das von Jossei Rackover?«
    Ich antwortete nicht, und sie neigte den Kopf. »Und das sind meine letzten Worte an dich, mein zorniger Gott: Es wird dir nicht gelingen! Du hast alles getan, damit ich nicht an dich glaube, damit ich an dir verzweifle! Ich aber sterbe, genau wie ich gelebt habe, im felsenfesten Glauben an dich: Höre Israel, der Ewige ist unser Gott; der Ewige ist einig und einzig. – Hast du das jemals gehört, Baumeister?«
    »Nein. Vor allem nicht von der stellvertretenden Polizeipräsidentin von s'Hertogenbosch. Es ist schön, es ist sehr schön aufmüpfig, und heute habe ich meinen jüdischen Abend.«
    »Du wirst gleich wieder hinausgehen ins feindliche Leben, nicht wahr?«
    »Ja, ich verschwinde gleich. Und du fährst morgen nach Trier ins Brüder-Krankenhaus. Da ist er. Der Oberarzt heißt Kirsch.«
    »Ist er a Jud?«
    »Das glaube ich weniger.«
    »Was sage ich, wenn Dinah anruft?«
    »Sag ihr, was los ist. Und sag Rodenstock, ich kann ihn verstehen, aber er soll gefälligst seinen feisten Arsch heben

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