Eifel-Feuer
offensichtlich nicht damit gerechnet, jemals an diesen Schreibtisch in Brüssel zurückzukehren. Gekündigt hat er allerdings nicht. Weder im Verteidigungsministerium, noch im Kanzleramt, noch beim Chef der NATO. Wir nehmen an, daß er unserem Mann eine Geschichte erzählen wollte, die es ihm unmöglich machen würde, wieder an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren.«
»Ach, du lieber Gott!«
»Ich stimme Ihnen zu. Können Sie grob andeuten, was Sie vorhaben?«
»Schlecht vorherzusagen. Nach Mitteilung eines Polizeiinformanten kann ich mich kaum mehr bewegen. Vier Bundesstraßen werden systematisch überwacht. Die Geheimdienste waren schon in meinem Haus, sie werden es überwachen.«
»Aber dann ist es doch nur eine Frage der Zeit, bis Sie erwischt werden.«
»Ganz so kraß sehe ich das nicht«, erwiderte ich. »Ich habe ja gegenüber den Geheimdienstleuten den Vorteil, hier zu Hause zu sein. Haben Sie schon einmal etwas von Wald- und Feldwegen gehört? Ich habe mal gewettet, von Hillesheim bis Adenau zu kommen, ohne ein einziges Mal eine Bundesstraße oder Landstraße zu benutzen.«
»Ich vermute, Sie haben die Wette gewonnen.«
»Habe ich«, sagte ich artig. »Und ich liebe es, wenn erwachsene Männer dumme Gesichter machen. Ab sofort bin ich das Phantom der Eifel.«
»Gott schütze meine Kinder«, meinte Sibelius fromm. »Haben Sie denn auch Zugang zu den Geschichten der Leichen Nummer zwei und drei?«
»Habe ich.«
»Wie passen die da rein?«
»Ganz einfach. Sie waren zur falschen Minute am falschen Ort.«
»Fotos?«
»Selbstverständlich.«
»Sie sind mein Zuckerstück!« sagte er.
»Keine Sauereien, bitte.«
»Und Sie telefonieren dauernd von Telefonzellen? Das ist ja durchaus nicht im Sinne des Erfinders. Haben Sie jemanden, der Ihnen eventuell ein Handy pumpen kann? Ich meine, dessen Nummer nicht mit Ihnen in Verbindung gebracht wird?«
»Ich denke drüber nach«, sagte ich, mir war schon klar, daß es sein mußte.
»Also denn, für Gott und Vaterland!« unterbrach er die Verbindung.
»Du mußt jetzt dieses Seepferdchen anrufen«, sagte ich zu Germaine. »Wir haben gar keine Zeit, nach Berlin zu fahren oder zu fliegen. Sie soll sich ein Ticket kaufen, nach Bonn fliegen. Dann ein Taxi nehmen und in die Dorinf-Ferienanlage nach Daun fahren. Kostet ein Schweinegeld, aber sie kriegt jeden Pfennig zurück.« Dann berichtete ich, was Sibelius mir erzählt hatte.
Nach fünf Minuten konnten wir die Kneipe verlassen, die Frau namens Seepferdchen hatte versprochen, so schnell wie möglich zu kommen.
»Sie freut sich sogar«, sagte Germaine. »Sie meinte: ›Ach, Kinder, das ist aber schön, endlich ist was los.‹ Und jetzt?«
»Zu meinem Haus in Brück«, entschied ich.
»Das geht aber doch kaum«, protestierte sie.
»Das geht«, sagte ich. »Bist du jemals anhand von Meßtischblättern durch die Pampa gebrettert?«
»Nein, bin ich nicht.«
»Macht nichts«, sagte ich. »Dann wird das eine Premiere.«
FÜNFTES KAPITEL
Wenn man von Kempenich nach Dreis-Brück, Ortsteil Brück, fahren will, ohne wichtige Durchgangsstraßen zu benutzen und sie nur zu queren, muß man über Karten verfügen, die auch das Katasteramt benutzt. Auf denen ist jeder größere Acker eingetragen, jeder Höhenmeter, jeder Feldweg, jeder Waldweg. Es kann durchaus sein, daß man einen erstklassig gezogenen Waldweg entlangbrettert, der schlicht und ergreifend im Nirwana endet, weil die Hersteller der Karten nicht gewußt haben, daß dieser Weg schon vor fünf Jahren seine Bedeutung verloren hat, weil kein Bauer mehr existiert, der ihn benutzen könnte.
Aber das ist nahezu das einzige Risiko. Nach meinen Blättern mußten wir rund 11 Zentimeter Landkarte überwinden, was ungefähr einer Entfernung von 11.000 Metern entspricht. Der Straße folgend waren wir etwa vierzig Kilometer von Brück entfernt.
Luftlinie zu fahren bedeutete folgende Route: Kempenich, Hausten, Überquerung der Nette südöstlich der Netterhöfe, auf Arft zu, wobei unsicher war, ob man auf dem Hang des Raßberges mit 652 Meter Höhe überhaupt vorwärts kommen würde. Dann grobe Richtung Acht und Oberbaar. Weiter Nitz, Krisbach, Brücktal, Bruchhausen. Wir würden die Rote Heck mit 640 Metern umfahren müssen, auf Zermüllen zu, Gelenberg und Bongard, schlußendlich am Radersberg mit 637 Metern vorbei nach Brück.
»Du kannst doch nicht einfach in dein Haus«, protestierte Germaine noch einmal. »Du bist doch einwandfrei verrückt.«
»Ich bin aus der
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