Eifel-Feuer
rechte Schulter und schluchzte laut etwas von aufwachen und zu mir kommen.
»Wo ist er?« fragte ich.
»Er ist weggefahren«, sagte sie und hatte Mühe, Luft zu schnappen.
»Bist du verletzt?«
»Was weiß ich. Und du? Bist du verletzt?«
»Weiß ich nicht. In meiner Weste ist das Handy.«
Sie fummelte an mir herum, und ich registrierte dabei, daß ich nicht im Wagen lag, sondern neben dem, was einmal mein Auto gewesen war. Schräg über mir war der Scherenschnitt einer Kiefer.
»Wie ist die Nummer?« fragte die junge Frau zittrig.
Ja, wie war die Nummer? »Welche Nummer?« fragte ich idiotischerweise.
»Du wolltest anrufen«, erinnerte sie mich.
»Ach so, ja.« Ich diktierte ihr meine Nummer Rodenstock meldete sich knapp mit: »Bei Baumeister.«
»Hol uns hier mal aus der Scheiße, wir sind nicht so gut drauf, wir brauchen Verbandszeug und so was. Wir sind zwischen Ahütte und Ahrdorf. Wenn du Gas gibst, bist du in fünfzehn Minuten hier. Ach so, ja, und ich habe unheimlichen Durst. Aber keine Bullen, bitte.«
Er hauchte etwas wie »Mein Gott« und hatte schon wieder aufgelegt.
Dann hörte ich einen merkwürdigen Laut. Erst dachte ich, Marion schluchzt wieder. Aber sie schluchzte nicht, sie kicherte. Sie fragte: »Hast du wirklich Durst?«
»Ich habe wirklich Durst. Rechts in der Tasche ist eine Pfeife. Kannst du eine Pfeife stopfen?«
»Bestimmt«, sagte sie zuversichtlich. Sie fummelte erneut an mir herum und brachte stückweise Hölzernes zutage.
»Zwei Pfeifen sind zerbrochen«, sagte ich ernstlich erschüttert. »Und ausgerechnet die dänische Pfanne von Stanwell. Scheiße, hoffentlich ist das Schwein versichert.«
Marion kicherte erneut, konnte sich nicht zusammenreißen und lachte schließlich grell. »Mann, du bist vielleicht eine Type. Jetzt soll dein Mörder auch noch eine Haftpflicht haben. O Gott, du bist ja noch schlimmer als die CIA-Fritzen.«
Ich überlegte und lachte mit. Irgendwie hatte sie recht. »Pump mir eine Zigarette«, sagte ich. »Ich muß rauchen.«
»Vielleicht solltest du erst mal aufstehen«, schlug sie vor.
»Aufstehen? Nicht so gern.« Ich hatte tatsächlich Angst vor einem solchen Akt, ich dachte, daß ich irgendwo bluten müsse, daß garantiert irgendein Knochen gebrochen war. Ich bewegte mich vorsichtig und stellte fest, daß jede Bewegung weh tat, aber eine Wunde oder einen Bruch konnte ich nicht feststellen. »Hilf mir mal«, murmelte ich.
Irgendwie hievte sie mich hoch und steckte mir dann eine brennende Zigarette zwischen die Lippen.
»Hast du den Mann erkannt?«
»Na sicher«, sagte sie erstaunt. »Du etwa nicht? Der stand doch voll im Scheinwerfer. Eine Ewigkeit lang.«
»Wir sind also gegen diesen Steilhang da gedonnert?«
»Ja. Du hast ja überhaupt nicht gebremst.«
»Das stimmt«, nickte ich, »das tut mir leid. Beim nächsten Mal bremse ich.«
Sie kicherte wieder, erst stoßweise, dann unentwegt. »Mein Gott, bist du eine Nummer.«
Allmählich wurde es beleidigend, fand ich. »Du würdest den Mann also wiedererkennen?«
»Ich glaube schon.«
»Hm.« Ich mußte mich wieder setzen, meine Beine zitterten zu stark.
»Vielen Dank übrigens, daß du mich auf den Sitz gezogen hast.«
»Oh, keine Ursache, das mache ich immer so. Aber kichere jetzt bitte nicht mehr.«
Sie starrte mich an und lachte schallend, als hätte ich einen besonders dreckigen Witz erzählt. Irgendwie steckte das an, und ich begann auch zu lachen und spürte, wie mich eine geradezu euphorische Erleichterung überfiel. Um es einfach zu machen: Wir hätten beide tot sein können, mausetot. Und angesichts dieser Möglichkeit ging es uns phantastisch. Ich war so aufgedreht, daß ich mir vor Vergnügen auf den rechten Oberschenkel schlug. Das hätte ich besser nicht getan, denn an dieser Stelle war meine Jeans klatschnaß. Sekundenlang dachte ich, ich hätte mir vielleicht vor Angst in die Hosen gemacht, was sogar christlichen Politikern schon passiert sein soll. Aber das war es nicht. Meine Hand war blutrot.
»Scheiße!« stammelte Marion.
Brav legte ich mich auf den Rücken und fummelte mir das Opinel aus der Tasche, ein richtig solides französisches Erzeugnis. Ich klappte es auf, hielt es ihr hin und murmelte mannhaft: »Schneide mir die Jeans vom Bein.«
»Das tue ich nicht«, sagte sie empört. »Ich kann kein Blut sehen. Dann wird mir sofort schlecht.«
»Dann wird dir eben schlecht«, sagte ich, und eine erste, noch vage Welle von Schmerz schwappte durch das Bein.
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