Eifel-Feuer
»Los, Mädchen, wir müssen wenigstens nachgucken.«
»Tut es denn weh?« fragte sie.
»Wenn du mich noch dreimal fragst, wird es vermutlich weh tun. Nun mach schon.«
Sie machte. Sie schnitt den Stoff so hoch an, daß ich die Jeans vielleicht noch als Minishorts tragen konnte, aber da ich krumme Beine habe, würde das ausfallen. Dann schnitt sie Richtung Fuß und bekam schrecklich blutrote Hände. Natürlich keuchte sie, weil sie nicht wollte, daß ihr schlecht wurde.
»Du bist richtig klasse«, sagte ich. »Ein richtiger Jeanskiller, ein weiblicher.«
»Das muß doch weh tun«, hauchte sie.
»Das würde ich nicht abstreiten.«
»Jetzt ziehe ich mal den Stoff runter, ja?«
»Sei so nett«, knurrte ich und jaulte wie ein getroffenes Babyschwein. Sie hielt triumphierend ein großes Stück Jeanstuch hoch, vollkommen durchblutet, tropfend, alles in allem eine ekelhafte Sache.
Eine schwere Verletzung war es sicherlich nicht, aber eine große. Ich mußte an einer scharfen Kante entlang geschrammt sein, die Wunde war satte fünfzehn mal zwanzig Zentimeter groß, sehr flach und eine einzige blutende Fläche ohne eine Spur von Haut.
»Hoffentlich ist er haftpflichtversichert«, wiederholte sie und ließ das Stück Tuch in den Dreck fallen. »Hast du einen Verbandkasten?«
»Habe ich.«
Sie kroch in das Wrack hinein und fummelte ächzend darin herum. »Ich finde nichts«, meinte sie muffig. »Hier kann man auch nichts finden, hier ist alles im Arsch.«
»Na prima«, sagte ich. »Gleich kommt Rodenstock. Laß ihm noch ein bißchen Arbeit. Komm her und zünde mir noch eine Zigarette an. Ich war noch nie in einem Feldlazarett mit eingebauter Krankenschwester.«
Ich bekam die Zigarette, während der Schmerz des angeschabten Oberschenkels sich munter ausbreitete und mich dazu zwang, von Zeit zu Zeit scharf einzuatmen.
Es war eine sehr friedliche, lauwarme Sommernacht in der Eifel.
Rodenstock kam etwa zwanzig Minuten später mit Emmas Volvo-Kombi angerast und hätte uns um ein Haar über den Haufen gefahren, weil wir so schön in Deckung lagen, aber das Wrack meines Autos hochragte wie der Rest einer bombengeschädigten Brücke.
Rodenstock und Emma stiegen aus. Sie bewegten sich zögerlich, wie nur Beamte sich bewegen können.
»Hey!« sagte Emma trostlos. »Was machst du denn, Junge?« Sie musterte Marion mit tiefem Mißtrauen.
»Das ist Marion«, erklärte ich. »Die junge Frau, die Carlo im Munitionslager gemalt hat. Sie wollten heiraten. Marion hat eine irre Geschichte zu erzählen.«
Rodenstock stand etwa anderthalb Schritt seitlich neben Emma, wie Prinz Philipp hinter der englischen Queen. Er deutete etwas fassungslos auf die Reste meines Autos. »Was soll das?«
»Das war eine Maschinenpistole«, sagte Marion. »Der Mann ist verschwunden.«
»Auto erkannt?« fragte Rodenstock schnell. Jetzt war er angekommen, jetzt setzte sich sein Hirn in Bewegung.
»Nein«, antwortete ich. »Er muß es hinten im Tal abgestellt haben. Er kann von da aus über Feldwege nach Üxheim und Leudersdorf. Es kann nur jemand sein, der genau Bescheid wußte. Nicht nur theoretisch ist er jetzt dreißig oder vierzig Kilometer weit weg.«
»Also eine Jeep-Form?«
»Genau das«, nickte ich.
»Auf wen tippst du?«
»Ich weiß es nicht. Ich glaube, ich habe das Gesicht des Mannes schon einmal gesehen, weiß aber nicht, wo.«
»Und es war einwandfrei eine Maschinenpistole?«
»Einwandfrei. Kann sein, eine Sonderanfertigung, fähig zu Dauerfeuer und Einzelfeuer, würde ich sagen. Kaliber weiß ich nicht, wird man aber schnell feststellen können. Wahrscheinlich neun Millimeter, wie bei den anderen auch. Uzi hat eine Polizistin gemeint.«
»Falsch«, sagte er scharf. »Das ist geklärt. Es war eine Heckler & Koch, also ein deutsches Fabrikat. Erinnerst du dich? Der Tod ist ein Meister aus Deutschland, heißt es so schön. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Spezialanfertigung, und noch viel wahrscheinlicher ist es, daß die Spezialanfertigung nicht im Werk Heckler & Koch erfolgte. Das Gerät hat irgendein Waffennarr umgeformt. Mit 72-Schuß-Magazin, verkürztem Lauf und doppelter Schallgeschwindigkeit der Geschosse an der Mündung des Laufes. Sozusagen was für Hollywood. Wie geht es dir?«
»Schmerzen«, sagte ich.
»Okay, okay. Wir legen dich hinten rein«, meinte Rodenstock. »Blutungen?«
»Offene Wunde rechter Oberschenkel, Papi, aber stark zurückgehend.«
»Na gut, der Peuster erwartet dich schon.«
»Wie bitte?«
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