Eifel-Feuer
fragte ich schrill.
»Ich bin der Ältere, ich verdiene Respekt. Halt also die Schnauze und krieche ins Auto.« Er weidete sich an meinem Anblick. Es hatte keinen Sinn, ihm zu widersprechen. Er half mir zum Auto. Ich mußte mich hinten langmachen und bekam eine Decke unter meinen Kopf.
Sie setzten sich vorn zu dritt nebeneinander, und ich hörte, wie Emma zu Marion sagte: »Sie müssen mir alles erzählen, meine Liebe. Das ist ja wohl wahnsinnig aufregend, was Sie da erlebt haben.«
»Das kann man sagen«, murmelte Marion. »Aber du kannst mich ruhig duzen. Ich bin eine von der Straße.«
Einen Augenblick herrschte Stille, dann sagte Emma gutgelaunt: »Weißt du, Mädchen, ich weiß ziemlich genau, daß dein Beruf keinen Unterschied macht zwischen dir und mir.« Dann setzte sie hinzu: »Aber eigentlich habe ich keine Neigungen zum Handwerk.« Beide lachten, und ich konnte hinten im Dunkel des Wagens zusehen, wie ich meinen Schmerz in den Griff kriegte.
Rodenstock gab Gas und schaltete das Radio ein. Wie immer diesen fürchterlichen Oldiesender von RTL, auf dem selbst Werbung so klingt, als hätten sie das Deutsche neu erfunden.
»Mach RPR«, sagte ich laut. »Die sind besser. Was schreiben eigentlich die Tageszeitungen?«
»Die schwimmen«, schnaubte Rodenstock. »Kein Mensch weiß etwas, aber jeder behauptet, alles zu wissen.«
»Und wie wird der tote BND-Mann erklärt?«
»Überhaupt nicht«, sagte Emma. »Von dem werden wir erst morgen lesen können. Der ist doch erst heute morgen erschossen worden.«
Das verwirrte mich einen Augenblick, ehe ich begriff, daß sie recht hatte. Tatsächlich waren seit dem Mord am BND-Meier erst einige Stunden vergangen. Mir erschien das alles wie die Ewigkeit.
Rodenstock fuhr zügig. »Wie sah denn der Tatort des BND-Beamten aus?«
Ich versuchte, so klar wie möglich zu denken: »Es sieht so aus, als sei der Mörder des Generals, des alten Küsters und Carlos auch der Mörder des BND-Meier. Und das alles verwirrt mich. Vor allem verwirrt mich das, was die Motive betrifft. Gut, der General war irgendwie ein gefährlicher Mann, weil er etwas wußte, was alle anderen nicht wußten, was aber die Geheimdienste offensichtlich in Gefahr brachte. Aber warum sollte nun jemand hingehen und den Meier töten?«
»Wir haben etwas ganz anderes überlegt«, mischte sich Emma ein. »Es ist nämlich so«, dozierte Emma. »Dein Freund Rodenstock und ich sind der Meinung, daß wir zwei Mörder haben. Oder aber, daß – wenn es denn nur einen Mörder gibt – alle Anzeichen auf etwas vollkommen anderes hindeuten als auf einen politisch motivierten Mord.«
»Und was wäre das?« fragte ich angriffslustig.
»Auf einen Serienmörder«, sagte Rodenstock heiter. »Mich wundert eigentlich, daß du nicht selbst darauf gekommen bist.«
»Auf einen was?« Er hatte es tatsächlich fertiggebracht, mich vollkommen aus dem Konzept zu bringen.
Emma räusperte sich vernehmlich. »Du weißt nicht, daß ich in Quantico auf der FBI-Academy geschult worden bin, oder?«
»Nein«, gab ich zu.
»Nun gut, dort habe ich eine Menge über Täterprofile zu hören bekommen. Mit anderen Worten, wie sieht bei dem und dem Mord wahrscheinlich der Täter aus? Und die Antworten, die das FBI zu geben imstande ist, sind erstaunlich, ganz erstaunlich.«
»Ein Serienmörder, ein stinknormaler Serienmörder?« Ich konnte es immer noch nicht fassen.
»Und wie!« trumpfte Emma auf. »Stell dir vor, jemand will ein Zeichen setzen, jemand ist davon überzeugt, die großen Weltfragen lösen zu können. Zum Beispiel die von Krieg und Frieden. Durch Zufall erfährt dieser Mensch, daß da in einem Jagdhaus einer der mächtigsten Soldaten der Welt hockt und Holz haut: Otmar Ravenstein. Der Täter konzentriert sich auf diesen Mann und beschließt, ihn zu töten. Das tut er auch. Und zwar deutlich durch zwei Salven aus einer hochentwickelten Maschinenpistole. Peinlicherweise trifft er nach der Tat den alten Küster und den jungen Carlo. Die sind nicht wichtig, die sind Beiwerk. Der Täter zieht logischerweise die Schlußfolgerung, daß er die beiden töten muß. Denn sie haben ihn gesehen. Er macht es kurz, und jeder bekommt nur eine Kugel. Ist es möglich, daß dieser Täter dann weiter verfolgte, was am Jagdhaus vorging?«
»Das kann sein«, gab ich widerwillig zu. »Er konnte irgendwo hocken und das Haus beobachten.«
»Gut.« Emma schnurrte jetzt wie meine Katzen, wenn sie zufrieden sind. »Da fällt dem Mann ein weiterer
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