Eifel-Filz
waren. Und wieso hat den jemand umgebracht?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete ich. »Kennst du eine Frau namens Heidelinde Kutschera?«
»Ja klar, kenne ich. Nicht genau, aber ich weiß, wen du meinst. Steht die im Verdacht? Das ist so 'ne Blonde, Hochtoupierte. So 'ne Brigitte-Tussi.«
Ich dachte an Floras schmuddelige Pullover und mußte Heidelinde Kutschera verteidigen. »Sie ist auch tot«, informierte ich Flora. »Fünf Minuten vorher hatte sie einen Orgasmus auf Pierre Kinn. Hoffe ich.«
Es war eine Weile sehr still, was wahrscheinlich damit zu tun hatte, daß Flora sich ein Bild malen mußte.
»Wieso auf? Ich meine... Willst du sagen, beide sind tot? Liebesdrama oder so? Auf dem Golfplatz?«
»Bahn sechzehn.«
»Und wer war's?«
»Weiß noch keiner. Erkundige dich mal nach den beiden Toten. Du wirst bei deinen intimen Kenntnissen der Gesellschaft in der Eifel schneller was herausfinden als ich.«
Da sie nicht genau wußte, ob ich sie veräppelte oder nicht, murmelte sie: »Ach weißt du, mein gesellschaftliches Engagement bezieht sich ja mehr auf ökologische Themen und so. Falls ich was erfahre, rufe ich dich an. Klar.« Dann hängte sie ein.
Ich konnte davon ausgehen, daß innerhalb der nächsten drei Stunden mindestens zweihundert Leute ganz genau informiert werden würden. In der Eifel braucht man keine Zeitung, man braucht Flora Ellmann.
Dann rief ich die Redaktion in Hamburg an, und ein sehr müder Kollege namens Bacharach stöhnte: »Was soll ich mit einem Doppelmord im Blatt?«
»Was du damit sollst, weiß ich nicht. Vielleicht liest es jemand«, erwiderte ich sauer. »Hör zu: Es sieht nach einer verdammt exotischen Waffe aus, ferner nach einem eiskalten Killer, ferner nach einem Liebesdrama mitsamt vier unmündigen Kindern oder so. Willst du es oder nicht?«
»Mein Verleger sagt, er hätte schon Scheiße genug im Blatt. Also, ich will es nicht.«
Die Konkurrenz nebenan war nicht aufmerksamer. Eine jung klingende Dame namens Wetterstein murmelte gedankenvoll: »Wir könnten so verbleiben: Wenn wirklich eine gute Geschichte dabei rauskommt, lesen wir sie mal und entscheiden dann.« Die journalistische Zugriffsfreudigkeit dieser Redaktion beruht im wesentlichen auf diesem Satz. Das hat zur Folge, daß ganze Hefte langweilig sind, weil die gesamte Redaktion gerade liest.
»Es muß nicht sein«, sagte ich hoheitsvoll und hängte die Dame ab. Dann hatte ich die wahnwitzige Hoffnung, daß jemand in München vielleicht Interesse haben könnte. Der Chef vom Dienst wehrte ab. »Och nöööhhh, nicht sowas! Deutsche Dramen haben was von literarischem Tee. Die machen wir nicht so gerne.«
Im gleichen Moment wußte ich, daß ich die Geschichte zu früh offeriert hatte. Man muß warten, bis die Deutsche Presse Agentur eine Blitzmeldung absetzt. Dann werden die Redakteure wach, dann sind sie munter und meistens sogar richtig freundlich.
Also betrieb ich mein eigenes Geschäft, indem ich die Deutsche Presse Agentur in Bonn anrief, mich mit dem Chef vom Dienst verbinden ließ und artig meine Mitgliedsnummer im Deutschen Journalisten Verband nannte. »Ich habe zwei Tote für euch. Ermordet. Ziemlich grauenhaft. Auf einem Golfplatz...«
Ich schilderte munter, was denn so passiert sei, und wartete genau fünfzehn Minuten bei stiller Betrachtung meines Gartens. Dann rief der Mann an, der was von deutschen Dramen und literarischem Tee gemurmelt hatte, und erklärte süßlich wie in einer Therapiestunde: »Also, erst mal entschuldige ich mich. Und dann hätten wir eine Bitte...«
»Jetzt habe ich aber keine Zeit mehr«, sagte ich.
»Aber wir hätten gern die Fotos, die Sie haben.«
»Die sind verkauft«, behauptete ich mit unendlich viel Schmalz in der Stimme. So rächt sich ein Kleinbürger aus den Bergen der stillen Eifel.
Es folgte die Hamburger Konkurrenz und säuselte herum, vor ein paar Minuten hätten sie nicht richtig einschätzen können, was ich habe. Nun sei ihnen klar, daß es sich um eine sehr tiefgehende deutsche Tragödie handele, und sie hätten gern die Fotos, die ich sicherlich sicherheitshalber gemacht hätte. »Besonders die von den beiden Liebenden«, meinte die Dame ganz entzückt.
»Ach«, sagte ich betulich, »die sind vergeben«, und hängte ein.
Dann meldete sich Flora Ellmann mit ungefähr folgendem Monolog: »Also, weißt du, mein Lieber, mich trifft der Schlag. Also mindestens. Die waren ja ein total sexistisches Paar, und noch dazu eines auf dem Konsumtrip. Kein
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