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Eifel-Filz

Eifel-Filz

Titel: Eifel-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Berndorf
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wußte ich nicht. Sie machten halt Urlaub. Wenn sie dort Freunde hatten... Sie brauchten Unterstützung für ihre gebeutelten Seelen. Da fällt mir übrigens ein, daß du von einem Bauernhof stammst, liebe Flora. Der liegt in Kyllheim. Hast du auch abgesahnt beim Hotel- und Badbau?«
    »Nicht die Spur. Ich bin mit zwei Grundstücken dabei, aber das lief normal. Nee, da war nichts Krummes. Ich sage immer: Saubere Abmachung, saubere Zahlungen und keiner kann mir an den Karren fahren. – Du sollst ja verprügelt worden sein heute nacht.«
    »Woher weißt du das?«
    Flora kicherte befriedigt. »Ich habe eine Freundin, Beruf Krankenschwester. Hier läuft nichts, ohne daß alle es wissen, Baumeister.«
    »Wo hält sich die Ehefrau auf, die Frau Kinn?«
    »Das weiß kein Mensch, aber ich nehme mal an, sie ist bei ihren Eltern. Die haben einen alten kleinen Hof in Jünkerath. Weißt du, wann die beiden beerdigt werden?«
    »Keine Ahnung, aber sicherlich erst in der nächsten Woche.«
    Dann hatte ich plötzlich eine Idee. »Sag mal, Flora, dir ist doch bestimmt auch angeboten worden, ein Apartment in dem Projekt zu kaufen, oder?«
    »Jaaa«, nuschelte sie gedehnt.
    »Und? Hast du eines gekauft?«
    »Hm, meine Brüder waren dafür, das zu machen. Da haben wir es gemacht. Familienbeschluß, wenn du weißt, was ich meine.«
    »Eins oder zwei, Flora?«
    »Zwei«, sagte sie widerspenstig. Dann setzte sie schnell hinzu: »Ich konnte nichts machen, meine Brüder haben mich überstimmt.«
    »Aha. Nun denn, mach es gut, bis demnächst.«
    Das Mitglied im Verbandsgemeinderat Flora Ellmann hatte sich also knietief in den Schlamm begeben. Ich kicherte wie jemand, dem etwas fröhlich Abartiges widerfährt.
    »Wir sollten uns dieses Video angucken«, mahnte die Soziologin.
    »Nicht jetzt. Ich muß schnell nach Jünkerath. Ich beeile mich.«
    »Kann ich mitkommen?«
    Sie hatte das Recht dazu, aber ich dachte an die Ehefrau und sagte: »Das geht nicht. Die Frau wird trauern, zwei Leute werden sie sehr verwirren.«
    »Pierre Kinns Witwe?«
    »Richtig.«
    »Viel Glück«, wünschte sie und war ein bißchen beleidigt.
    Ich fuhr über Wiesbaum quer nach Birgel und beeilte mich. Es war nicht schwer festzustellen, wohin ich mußte, denn im Laden der Türken, die fraglos das beste Obst in der Gegend verkaufen, gab eine dickliche Frau schnaufend vor Aufregung Auskunft: »Die Eltern von Pierres Frau? Och, das ist ganz einfach. In Richtung Don-Bosco-Haus und dann zweihundert Meter weiter.«
    Das Haus war uralt, ich vermutete ein Baujahr um 1800, es lag geduckt an einem sehr steilen Hang und war umgeben von alten Apfelbäumen, von denen zwei noch voller Früchte hingen. Es waren knallrote Äpfel, die in der Sonne schimmerten. Offensichtlich war der Hof nicht mehr bewirtschaftet, denn das Betonviereck der Miste war leer, und auf dem Hof stand kein Fahrzeug. Wahrscheinlich besaßen sie noch einen alten Traktor, mit dem ihr Vater zuweilen nach Jünkerath fuhr, um unterwegs alten Träumen nachzuhängen.
    Ich schellte. Der Mann, der mir öffnete, war klein und hager und trug einen Blaumann mit einer flachen Schirmmütze. »Ja, bitte?« fragte er mißtrauisch.
    »Ich möchte mit Ihrer Tochter sprechen. Ich weiß, das wird schwer sein, aber ich bitte trotzdem darum.«
    Er schüttelte sehr bedächtig den Kopf. »Das geht nicht«, sagte er. »Sie weint nur, sie kann gar nicht reden. Sind Sie von der Presse?«
    »Ich lebe hier in der Eifel, und ich bin von der Presse.«
    »Sind Sie dieser Baumeister?«
    »Ja, der bin ich.«
    »Ich frag mal«, murmelte er und verschwand. Es dauerte nicht lange, dann kam er kopfschüttelnd wieder. »Sie kann nicht.«
    »Schon gut. Hier ist meine Telefonnummer. Vielleicht ruft sie mich einmal an. Und richten Sie ihr mein Beileid aus.«
    »Beileid!« sagte er verachtungsvoll und schloß die Tür.
    Ich ging zum Wagen zurück und wollte gerade abfahren, als der alte Mann erneut erschien und winkte. Also stieg ich wieder aus.
    »Sie will doch«, sagte er. »Aber regen Sie sie nicht auf.«
    »Ich bemühe mich.«
    Ich stand in einem dunklen, engen Flur.
    »Sie ist oben in ihrem Mädchenzimmer«, erklärte der Vater dumpf. »Oben rechts.«
    Die Tür war weißlackiert und hing ein wenig schief in den Angeln. Ich klopfte und ging hinein. Das erste, was ich sah, war ein Ast des Apfelbaums mit den knallroten Früchten.
    »Setzen Sie sich«, sagte Kinns Witwe. Sie hockte am Fenster in einem Korbsessel; vor ihr auf einem kleinen Tischchen

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