Eifel-Gold
Statt dessen verschenkt er es. Unter anderem an Sie. Ich erinnere mich an ein Weihnachtsfest. Da wurden Sie gefragt, was Sie sich denn wünschen. Sie kicherten und sagten: Eine neue Küche! Alle haben gelacht, und alle haben Sie gemocht. Nun gibt es eine ganze Menge Leute, die ganz öffentlich gesagt haben, sie möchten gern dies oder das auf die Beine stellen. Sie haben ihr erforderliches Geld bekommen. Im Prinzip ist das bei einigen Empfängern gut, bei anderen weniger. Es stellt sie bloß, nicht wahr.« Ich lächelte sie an. »Nun müssen Sie mir nicht bestätigen, daß unser älterer Mitbürger mit dem Spitznamen Pater Leppich Geld bekommen hat. Daß er etwas bekommen hat, weiß ich bereits. Die Frage ist nur: Warum entzieht er sich der Befragung?«
»Entzieht er sich?« fragte sie entzückt. Gleich darauf räusperte sie sich. »Ich hörte davon«, gab sie zu.
»Ich bin hier, um mit Ihnen über dieses Phänomen zu sprechen. Daß Pfarrer ein neues Geläut bekamen oder andere Leute Feuerwehrautos, ist unter diesen merkwürdigen Umständen ja fast normal. Aber daß einem Pfarrer ein Haufen Geld zufließt und jedermann so tut, als sei es verboten, darüber zu sprechen, wofür denn das Geld bestimmt ist; das, verehrte Schwester Maria, verstört mich sehr. Ich darf Sie an etwas erinnern: Ich bin zwar ein Neubürger, aber durchaus ein Eifel-Freak, und ich verrate meine Leute nicht. Und da bekannt ist, daß Sie eine kluge Frau sind, bin ich hier. Uff, das war eine lange Rede.«
»Und eine durchaus spritzige«, sagte sie trocken. »Sie appellieren also an meine Klugheit und Intelligenz, auf daß ich den Pater Leppich in die Pfanne haue.«
»Wenn Sie so wollen, ja. Aber es wird nicht in der Zeitung stehen, oder wo auch immer.«
»Versprochen?«
Ich nickte.
Sie wiegte den Kopf hin und her. »Natürlich müssen alle Leute das Geld wieder abliefern. Schade, es wäre so schön gewesen. Bei Pater Leppich ist das freilich etwas anderes. Und Sie ahnen doch bestimmt schon, warum. Oder?«
»Ich ahne gar nichts«, gab ich zu.
»Also, das ist eine Frage der Bilanzen«, erläuterte sie feinsinnig. Sie sah mich dabei so an, als sei damit nun wirklich alles gesagt, jede weitere Bemerkung überflüssig.
»Es kann sein, daß der Fall mich lähmt. Ich verstehe nicht. Wieso Bilanzen?«
»Sehen Sie, Herr Baumeister, der Pater Leppich betreut doch sechs, nein, halt, sieben Gemeinden. Und einmal im Jahr ist Bilanz in jeder Gemeinde. Da zeigte sich nun, daß, na ja, einiges fehlte eben. Irgendein Mensch, der irgend etwas mit diesem Geldraub zu tun hatte, wußte davon, wollte den Pater Leppich schützen, der ja wirklich hinreißend predigen kann, und schenkte ihm das Geld. Pater Leppich glich aus, und vermutlich war er selig. Wie sagte der Heilige Vater? Auch Priester sind Menschen.«
»Nun ist er vermutlich nicht mehr so selig. Wo ist denn das Geld nun?«
»Soweit ich weiß, hat Pater Leppich es dem Bischof geschickt und gleichzeitig um seine Entlassung gebeten.«
»Lieber Himmel, welch ein Wirbel!« rief ich angewidert.
Sie lachte. »Das kann man so oder so sehen. Immerhin waren es hundertsechzigtausend Mark. Dafür muß eine alte Frau lange stricken.«
»Was hat der mit hundertsechzigtausend Mark angestellt?« Ich war aufrichtig fassungslos.
»Das weiß ich nun wirklich nicht. Und wenn ich es wüßte, müßte ich erröten«, sagte die erstaunliche Nonne, errötete aber nicht.
»Hat er denn auch ein Begleitschreiben bekommen?«
»Sicherlich. Zufällig weiß ich, daß nur zwei Worte draufstanden. Nicht aufgeben!«
»Wie ist das denn rausgekommen?«
»Soweit ich weiß, stand die Bilanzprüfung an. Da wurde es entdeckt. Dann wurde geredet, aber niemand wußte etwas. Dann war klar, daß irgend etwas nicht stimmte. Und das Minus war gerade ausgerechnet worden, als das Geschenk kam. Zu spät.«
»Was macht ein Landpfarrer mit einhundertsechzigtausend Mark?«
»Das müssen Sie den Pfarrer fragen. Übrigens hockt der zu Hause und ist keinesfalls verschwunden, Herr Baumeister. Keine Notlügen mehr, mein Lieber!«
Ich verabschiedete mich und ging. Sehr nachdenklich fuhr ich nach Hause und wußte nicht, an welchem Punkt ich neue Recherchen ansetzen konnte. Es sah nicht gut aus.
Elsa, Nora und Cosima hockten auf den Eingangsstufen und kicherten.
»Also«, hob Nora an, »du darfst nicht so wild in dein Arbeitszimmer stürmen, die Tür auflassen und so. Da ist jemand drin, der auf dich wartet. Aber dieser Jemand ist ein
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