Eifel-Jagd
Frau sich in der letzten Zeit stark
verändert hat?«
Vogt überlegte gelassen, die Hände wieder unter dem Kinn
gefaltet. »Ich habe mit Sorge feststellen müssen, daà dieses katholische Haus
verkam. Mathilde kochte kein Essen mehr, sie sagte: Hol dir was aus der
Kühltruhe. Ich bitte Sie, wo kommen wir hin? Sie wurde irgendwie ...«
»Sie müssen sich nicht schämen«, sagte ich schnell, »Sie meinen
sicher, Ihre Frau wurde immer sündhafter.«
Er sah mich an und war mir dankbar. »Genau! Genau das war es.«
Jetzt hatte er ein hochrotes Gesicht und seine Augen standen nicht still,
glitten hin und her wie ein schnelles Uhrpendel. Er goà sich erneut von dem
Kognak ein.
»Und? Sie hat nicht auf Ihre Warnungen gehört?« fragte ich.
»Nein. Sie hat gelacht. Sie hat einfach gelacht.«
Dann herrschte Stille, eine tiefe, aufdringliche Stille.
Rodenstock wollte eine Unterbrechung, und er fragte: »Dürfte ich jetzt um einen
Kognak bitten?«
»Wie? Oh ja, selbstverständlich.« Vogt holte ein zweites Glas
aus dem Schrank und goà es randvoll.
»Danke sehr«, murmelte Rodenstock und nippte daran. Dann
lächelte er. »Wir sind Ihnen zu groÃem Dank verpflichtet, weil Sie so
auÃerordentlich kooperativ sind. Sagen Sie, wie stehen Sie eigentlich zu Julius
Berner?«
»Sehr gut«, antwortete Vogt zufrieden. »Es ist eine richtige
Männerfreundschaft. Manchmal arbeiten wir auch an gemeinsamen Projekten. Er hat
die gleichen Ansichten wie ich, er ist halt noch von echtem Schrot und Korn.
Nur das mit der jungen Frau, das ist ihm aus dem Ruder gelaufen. Da hat Gott
die Frau gestraft, denke ich. Gott muÃte eingreifen, es konnte nicht so
weitergehen.«
»Auch sie war sündhaft, die Cherie, nicht wahr?« fragte
Rodenstock ganz leise.
»Ja, in ihrem Leib wohnte der Teufel persönlich. Sie war eine
Hure, sie hat hurenhaft gelebt, sie hat ihren Leib für Geld hergegeben.« Sein
Gesicht war bedrohlich rot.
»Haben Sie der Cherie das einmal persönlich gesagt?«
»Aber sicher. Sie kam abends her, und die beiden Frauen haben
miteinander geredet und dreckig gelacht. Und ich bin zu ihnen gegangen und habe
ausgeführt, Gott werde sich das nicht gefallen lassen. Ich habe gesagt, daÃ
dieser Gott ein strafender Gott ist und daà sie damit rechnen müssen, zur Salzsäule
zu erstarren wie Lots Weib.«
»Das war an dem Abend vor dem Tod Ihrer Frau, nicht wahr?«
Rodenstock sah ihn nicht an, als er diese Frage stellte.
»Richtig«, nickte Vogt. »Das war an dem Abend.«
»Wie lange war Cherie denn hier?«
»Nicht allzu lange. Vielleicht ein, zwei Stunden. Ich habe ihr
sogar noch gesagt, sie möge bitte dieses Haus verlassen, weil sie es besudelt.«
»Warum, um Gottes willen, haben Sie das nicht der
Mordkommission gesagt?« sagte ich.
»Das sind Beamte, die nicht über den Tellerrand blicken,
einfache Geister, das wissen wir doch.« Er machte groÃartig wedelnde
Handbewegungen.
»Wieviel Uhr war es wohl, als Cherie ging?« fragte Rodenstock.
»So um Mitternacht.«
»Und Cherie ging allein weg, und Ihre Frau blieb hier?«
»So ist es. Mathilde führte sich auf wie ein unartiges Kind.
Sie warf mir vor, ich hätte Cherie beleidigt. Stellen Sie sich das mal vor! Ich
versuche, dieses Haus sauberzuhalten, und sie macht daraus eine Beleidigung.«
»Sind Sie zusammen ins Bett gegangen? Also, ich meine, schliefen
Sie im gleichen Raum?«
»Nein, seit dem Vorfall damals nicht mehr.«
»Was für ein Vorfall?« fragte Rodenstock.
»Das war im Frühjahr. Da sagte sie zu mir, sie wünsche sich
sehr, daà ich ihren Schoà küsse. Ich konnte es nicht fassen, ich finde das
pervers. Ich sagte, ich wolle ruhige Nächte haben. So war das. Seitdem hatten
wir getrennte Schlafzimmer, und unser Pfarrer hat mir im Vertrauen gesagt, ich
hätte natürlich recht. Meine Frau wäre pervers. Ich habe beim Bischof in Trier
angefragt, ob er mir einen Teufelsaustreiber schickt.«
»Und? Macht er das?« fragte ich.
»Ja«, sagte er mit einem Lächeln. »Dieses Haus ist jetzt ein
Teufelshaus. Das muà sich ändern.«
Rodenstock sah mich an und sah mich doch nicht. Er war weit
entfernt mit seinen Gedanken. SchlieÃlich seufzte er: »Wenn Sie doch die Moral
auf Ihrer Seite haben, warum haben Sie sie
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