Eifel-Jagd
Solch einen Blödsinn überlegte ich,
während ich Havanna rauchend auf die Reste meiner kleinen CD-Anlage schaute,
die den Teppich verunzierten.
DrauÃen wurde es finster, weil die nächste Gewitterwand über
der Mosel aufzog und von Südwesten her auf die Eifel zuflutete. Es begann mit kleinen
heftigen Windböen, es folgte ein scharfer Regen, der fast waagerecht peitschte,
dann blitzte und knallte es, und das Wasser fiel dick und gleichmäÃig wie aus
tausend Eimern.
Ich stellte mich ans Fenster, starrte auf meinen Teich hinunter
und fragte mich, wie Fritzchen so etwas wohl empfinden mochte. Vielleicht
empfand er gar nichts, vielleicht nahm er es einfach hin, vielleicht gab es bei
den Goldfischen keine Philosophie.
Plötzlich belebte sich mein Garten auf eine wundersame Weise.
Fast senkrecht unter mir erschien Rodenstock in voller Montur, er hatte nicht
einmal die Schuhe ausgezogen. Er hielt sein Gesicht in den Regen und sah dabei
glücklich aus. Er streckte die Arme in den Himmel, als bete er darum, der Regen
möge nicht aufhören. Es war so, als habe er endlich eine Chance gefunden, sich
von dem dreckigen Fall reinzuwaschen, sich endlich wieder einmal sauber zu
fühlen, vielleicht mit neuer Frische an die Klärung aller Fragen zu gehen.
Ich lieà die Havanna Havanna sein und rannte hinunter. Der Regen
gehört schlieÃlich allen. Auf den zehn Metern von der Haustür bis zum Gartentor
wurde ich komplett geduscht. Und ich fühlte mich groÃartig dabei und hörte mit
Vergnügen das Wasser in meinen Schuhen quatschen. Wenn Rodenstock jetzt einen
Indianertanz hingelegt hätte, hätte mich das nicht verwundert. Aber er tanzte
nicht. Er stand einfach da, mitten auf dem nicht gemähten Rasen und lieà die
Pracht auf seinen Buckel prasseln. Dann verschränkte er die Beine und lieà sich
langsam in das Gras sinken. Wie ein indischer Fakir, wie ein Mönch auf der sehr
langen Reise in ein Gebet saà er da, und es fiel mir auf, daà er die Handflächen
geöffnet hielt, als könne er die vielen tausend Wassertropfen auffangen. Ich
setzte mich neben ihn, und er grinste mir zu, als seien wir Teil einer höchst
geheimen Bruderschaft.
»Schön, wie?«
»Sehr schön«, nickte ich.
»Wenn du jetzt eine Antwort auf eine Frage frei hättest, was
würdest du fragen?«
Ich überlegte lange. Natürlich konnte ich fragen: Wer hat
Cherie getötet? Aber das war es wohl nicht. »Ich würde fragen, ob ich weiter
mit Dinah leben kann. Und wie lautet die Antwort?«
»Die Antwort lautet ja. Aber nur dann, wenn du Geduld hast.«
»Den Pferdefuà habe ich geahnt. Und welche Frage hast du?«
»Wieviele Jahre ich noch zu leben habe.«
Erst jetzt hörte ich das Prasseln der Wassertropfen auf der
Teichfläche. Es war sehr laut. »Noch mindestens zwanzig«, sagte ich. »Ich habe
geträumt, daà du dich mit sechsundachtzig noch einmal verlobst.«
»Moment mal, ich habe Emma.«
»Geduld, mein Freund. Du verlobst dich mit Emma. Bis dahin seid
ihr nämlich schon wieder zweimal geschieden.«
»Ach so«, grinste er. Dann wurde er unvermittelt ernst. »Womit
fangen wir an? Es ist ein vertrackter Fall, und ich habe überlegt, daà Cherie
vielleicht von jemandem getötet wurde, der mit dem Mord an Narben-Otto nicht
das Geringste zu tun hat. Denn irgendwie paÃt er von der Struktur her nicht zu
der Tötung von Cherie.«
»Ich bin zurückgegangen. Bis in die Nacht, in der Cherie
hingerichtet wurde. Ein paar hundert Meter entfernt starb wenig später Mathilde
Vogt. Ihr Mann erschoà sie, das ist klar. Nehmen wir an, der Ehemann sagt die
Wahrheit. Es war tatsächlich so, daà sie sagte, sie wolle in das Jagdrevier
...«
»... du bist richtig gut«, unterbrach mich Rodenstock. »Mach weiter.«
»Es war also mitten in der Nacht, und die Frau sagt, sie geht
in das Revier. Was kann sie um diese Zeit dort tun? SchieÃen auf keinen Fall,
es sei denn, sie ist auf eine Wildsau aus. Aber es gab kein Büchsenlicht. Also,
was will sie dort? Will sie mit sich allein sein? Muà sie nachdenken? Muà sie
Probleme wälzen? Und jetzt die entscheidene Frage. Geht eine schwangere Frau,
selbst wenn sie Jägerin ist, mitten in der Nacht mutterseelenallein in ihrem
Revier spazieren? Meine Antwort lautet: Nein, auf keinen Fall. Sie muà jemanden
getroffen
Weitere Kostenlose Bücher