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Eifel-Jagd

Eifel-Jagd

Titel: Eifel-Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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allein lassen.

    Nach meiner Berechnung hatten wir etwa zweihundert Meter
waldeinwärts zurückgelegt, jetzt wurde es kritisch. Trierberg hatte Zeit genug
gehabt. Wenn die Eichelhäher ihn aufmerksam gemacht hatten, würde er uns beobachten.
Zweifellos besaß er den Vorteil, warten zu können. Ich fragte mich, wie Emmas
Programm aussah. Wie wollte sie an die Hütte herankommen? Von der Seite? Von
der Rückseite?

    Nach weiteren fünfzig Metern sah ich die Hütte. Sie machte
einen erbärmlichen Eindruck, windschief, alt, verrottet. Rechnete man vierzig
Jahre zurück, mußte sie auf einer malerischen Lichtung gestanden haben. Jetzt
verfiel sie im Schatten hochgeschossener junger Buchen.

    Emma drehte sich um. Sie deutete auf sich und dann zur Hütte.
Dann auf Rodenstock und mit der Hand wie ein Brett auf einen Punkt links von
der Hütte. Ich bekam die wortlose Anweisung zu bleiben, wo ich war. Schließlich
fuhr sie sich mit zwei Fingern an die Augen, was wohl heißen sollte, ich solle
beobachten. Von dem Punkt aus, an dem ich mich befand, konnte ich das nicht.
Vor mir lagen gefallene Fichten und hatten schwere Wurzelteller hochgezogen,
die wie Schirme alles verdeckten.

    Ich schaute also Emma an und bewegte die Hand hin und her. Ich
deutete auf meine Augen, dann auf die umgeworfenen Bäume und schüttelte den
Kopf.

    Sie verstand sofort und zeigte erneut auf ihre Augen und auf
die Schneise hinaus.

    Ich nickte und wartete, bis Emma und Rodenstock losgingen. Emma
bewegte sich auf einer Linie, die rechts von der Hütte auf den Wald traf.
Rodenstock nahm die Parallele hangabwärts, und es war typisch für ihn, daß er
seine Gefährtin stets im Auge behielt und erst dann weiter schlich, wenn sie
stehenblieb, um nach vorn zu sichern.

    Ich wünschte, Stefan Hommes und Andreas Ballmann wären bei uns,
einfach, weil dann das Gefühl von Sicherheit größer gewesen wäre.

    Als ich Emma schräg rechts und Rodenstock schräg links vor mir
hatte, ging ich in die Knie und legte mich lang auf den Bauch. Ich kroch
vorwärts.

    Es war wie in Oos: Die Waffe störte mich, und ich steckte sie
hinten in den Hosengürtel. Hinter mir lärmte das Häherpärchen, und die Tiere
stoben wie zwei farbige Bälle durch die Luft. Aber sie schienen nicht unruhig,
sie jagten sich, es war Lebenslust.

    Sieh dir das an, Trierberg, dachte ich verkrampft. Du mußt
begreifen, daß hier niemand ist. Sieh dir das an.

    Emma richtete sich hinter einer kleinen Birke auf und drehte
sich zu Rodenstock. Sie hob den rechten Arm, und ihre kleine Hand bildete eine
Faust. Und ehe ich erschrocken einatmen konnte, knallten die Schüsse.

    Es waren zwei.

    Emma war nicht mehr zu sehen, Rodenstock tauchte für den
Bruchteil einer Sekunde auf, als er losspurtete, um zu seiner Frau zu gelangen.

    Ich dachte wütend: Scheiß drauf! und kroch auf Emmas letzten
Standort zu; garantiert achtete ich nicht allzusehr auf meine Deckung.

    Es folgten noch zwei Schüsse, drei, vier. Sie klangen schärfer,
sie klangen peitschender, es war irgendeine andere Waffe.

    Emma lag auf dem Rücken und hielt sich an Rodenstocks Schulter
so fest, daß ihre rechte Hand weiß war vor Verkrampfung. Sie atmete etwas
hastiger als gewöhnlich. Ihr linker Oberarm war getroffen, und unsinnigerweise
wollte sie mit einem wütenden Gesicht Rodenstock beiseite drängen, um
aufzustehen. Aber er drückte sie mit aller Gewalt in das Gras zurück. Sie wiederum
drückte dagegen, und sie schnaufte dabei.

    Rodenstock sah mich an, und sein Mund zuckte, als wollte er
sagen: Schau mal weg! Dann schlug er Emma k. o.

Elftes Kapitel
    Â»Scheiße«, sagte Rodenstock leise. »Wir sind hier am Ende. Er
ballert, und er ballert nicht schlecht. Hilf mir mal, ihr den Pullover
auszuziehen. Oder nein, hast du dein Messer bei dir?«

    Ich gab es ihm.

    Er wählte die kleine Schere und schnitt Emma den Pullover vom
Leib. Es dauerte quälend lange, und weil Rodenstock wütend und ungeduldig war,
geriet er mit dem Messer in Streit und schnibbelte herum, als habe er noch nie
im Leben eine Schere in der Hand gehabt. Ich nahm ihm das Instrument ab und
vollendete sein Werk.

    Trierberg hatte mit Schrot geschossen, vier Kugeln, vier
niedliche Schrotkörner, hatten vier tiefe Rinnen in Emmas Oberarm gerissen. Es
blutete stark.

    Sie begann stoßweise zu atmen, tauchte aus der Bewußtlosigkeit
auf.

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