Eifel-Jagd
Ich hielt sie eisern unten und tupfte derweil mit den Resten des Pullovers
an dem Blut herum.
»Das schaffen wir nicht, wir haben nicht mal ein Pflaster. Ruf
Kischkewitz an. Und vielleicht einen Notarzt. Es kann sein, daà es noch
jemanden erwischt. Rodenstock! Bist du abgetreten, oder was ist? Wir müssen
Emma hier wegbringen.« Ich bemerkte, daà ich Emma mit meiner rechten Hand den
Mund zuhielt. Ihre Augen waren ruhig und starrten mich an. Da lieà ich sie los.
Sie betrachtete die Striemen an ihrem Oberarm.
»Kannst du den Arm bewegen?« fragte Rodenstock.
»Sicher«, nickte sie. »Sicher. Wieso hast du ...«
»Es muÃte sein«, sagte er und schaute auf die Jagdhütte. »Also,
was ist? Ich bringe dich erst einmal nach unten. Du muÃt hier weg.«
»Muà ich nicht. Wieso?«
»Die Profis müssen her, die werden die Bude stürmen müssen. Und
wir brauchen für den Fall der Fälle einen Arzt und einen Krankenwagen.«
»Nimm mein Hemd«, sagte sie. »Nimm mein Hemd, Rodenstock.
Zerreià es und mach mir einen Verband. Sieh mal, da blüht eine wilde Akelei.
Ziemlich selten.«
Die Akelei war violett, und sie leuchtete intensiv wie eine
kleine Laterne.
»Du bist verrückt«, murmelte Rodenstock.
»Na, sicher«, lächelte sie. »Deshalb hast du mich ja geheiratet.«
»Dann muà ich auch verrückt sein«, brummte er nicht sonderlich
leise.
»Das bist du auch, mein Liebling«, versicherte sie. »Nimm jetzt
dein Handy, hol Kischkewitz und die Sanitäter, ach, von mir aus eine ganze
Krankenhausbesatzung.« Dann bià sie sich auf die Unterlippe. »Wir schaffen das
mit unserer Zimmerflak nicht. Rodenstock! Bitte, starre keine Löcher in die
Luft. Zieh mir das Hemd aus, zerreià es und verbinde mich damit.«
Rodenstock sagte: »Dann wirst du aber frieren.«
Wie eine Explosion überfiel mich ein Lachen, ich konnte absolut
nichts dagegen tun. Und es schallte mörderisch laut über die Lichtung.
»Nicht schlecht«, lobte Emma.
Ich erkannte an ihren Augen, daà sie etwas plante, und geriet
einen Augenblick lang in Panik. »Rodenstock. Telefonier gefälligst. Warte,
meine Freundin. Ich helfe dir.«
»Du bist richtig nett«, keuchte sie. »Jetzt fängt es an zu
schmerzen. Wie tief sind die Rinnen?«
»Bestimmt einen Zentimeter. Zwei von den ScheiÃdingern sind
garantiert noch drin. Leg die Arme nach oben, ich muà dir das Hemd
runterfummeln.«
»Wie aufregend«, sagte sie trocken.
»Ich möchte wissen, wann dir mal die Sprüche ausgehen.«
»Wenn mein zukünftiger Mann mich das nächste Mal k. o.
schlägt«, antwortete sie.
Es war ein einfaches Baumwollhemdchen, und es ergab einen guten
Verband. Ganz nebenbei stellte ich fest, daà meine Freundin Emma jugendliche
Brüste hatte, wie eine DreiÃigjährige. Und als sie merkte, daà ich es merkte,
grinste sie diabolisch.
Rodenstock telefonierte derweil und bemühte sich zu flüstern,
was ihm absolut miÃlang, was auch lächerlich war, da Trierberg ohnehin wuÃte,
daà wir auf der Schneise steckten.
»Du gehst auf die andere Seite in den Schutz der Bäume«, sagte
ich zu Emma. »Ich will dich hier weg haben. Wie ist das, hast du den Eindruck,
daà du unter Schock stehst?«
»Nein«, sagte sie. Aber sie kam meiner Bitte nach, drehte sich
in die Richtung, aus der wir gekommen waren, und bewegte sich langsam von der
Hütte fort.
Rodenstock hatte zu Ende telefoniert: »Kischkewitz schickt ein
paar Leute von einer SEK. Er hat auch diese Spezialisten vom deutschen Zoll in
Trier um Hilfe gebeten. Sie kommen, genauso wie ein Arzt und ein Krankenwagen.«
Er wirkte gemütlich wie ein Tourist, der sich vorgenommen hat, endlich mal in
einem Wald zu hocken und an seine Kinderzeit zu denken.
»Du bist erleichtert, daà es sie auf diese Weise erwischt hat,
nicht wahr?«
»Ja«, gab er zu. »Das hätte ganz anders schiefgehen können.«
»Du solltest zu ihr hingehen und bei ihr bleiben. Sie hatte so
ein merkwürdiges Funkeln in den Augen. Vielleicht plant sie etwas Gemeines, und
wir wissen nichts davon, bis es passiert ist. Ich decke die Hütte ab.«
»Gut«, sagte er. »Aber keine Heldentaten.«
»Nicht die Spur«, versicherte ich.
Das Licht wurde immer schwächer, die Sonne hatte
Weitere Kostenlose Bücher