Eifel-Jagd
tot.
Wissen Sie das eigentlich, Trierberg?«
Er reagierte nicht, aus der Hütte war kein Laut zu hören.
»Man hat gesagt, Sie seien ein höflicher Mann. Sie könnten
jetzt so höflich sein, mir zu antworten.«
Der Regen rauschte gleichförmig. Die Stämme, aus denen die Hütte
gefügt war, hatten von weitem alt und vermodert ausgesehen, aber das war eine
Täuschung gewesen. An einigen Stellen waren neue Stücke eingefügt, und auf der
schmalen Veranda waren alle Bretter erneuert worden. Dies war wahrscheinlich
Trierbergs und Mathildes Versteck gewesen, schoà mir durch den Kopf. Hier
hatten sie das Kind gezeugt, hier hatten sie nachts geträumt und sich geliebt
und den katholischen Vogt auf den Mond gewünscht.
»Trierberg, Sie hatten hier eine schöne Zeit mit Mathilde. Es
endete furchtbar. Ich weià das. Aber warum hocken Sie da drin, statt
herauszukommen und zu erzählen, was war? Da war doch etwas, Trierberg, oder?«
Während ich sprach, fiel mir auf, daà wir mit einer geradezu lächerlichen Automatik
davon ausgegangen waren, daà Trierberg sich gerächt hatte. Woher nahmen wir
diese Sicherheit? Und wenn es so gewesen war, was war dann für diesen Mann noch
wichtig? Hockte er in der Hütte, weil er Angst hatte? Weil er damit rechnete,
getötet zu werden? Und wenn er mit seinem Tod rechnete, wer würde ihn töten?
Natürlich nur ...
»Trierberg, hören Sie mir bitte zu. Ich bin allein, und die
Waffe, die ich habe, lege ich so, daà Sie sie sehen können. Ist das okay?« Ich
nahm die Beretta und schubste sie vor das Fenster. Dort waren zwar hölzerne Läden
vor, aber er muÃte die Waffe durch die Spalten, die er für die Gewehre freigelassen
hatte, sehen können.
»Ich nehme an, Sie sehen die Waffe. Weitere Waffen habe ich
nicht. Ich würde Ihnen gern ein Foto zeigen. Das Foto ist zwar von schlechter
Qualität, nur eine Kopie, aber es zeigt einen Mann, der wahrscheinlich Cherie
getötet hat. Und Sie sind mit ziemlicher Sicherheit der einzige Mensch auf der
Welt, der diesen Mann identifizieren kann. Ich glaube nämlich, daà Sie ihn
gesehen haben. Sie müssen ihn gesehen haben, wenn Sie in jener Nacht hier
waren. Und Sie waren wohl hier. Sie haben auch gesehen, wie Ihre zukünftige
Frau erschossen wurde, nicht wahr? Lieber Gott, seien Sie doch endlich so
höflich, mir zu antworten, schlieÃlich habe ich kein Maschinengewehr in der
Schnauze. Ich will Ihnen helfen. Und ich will mir selber helfen. Verstehen Sie
das denn nicht?«
Keine Reaktion, der Regen rauschte weiter. Ich konnte weder
Rodenstock noch Emma sehen, aber wie ich sie kannte, betrug ihr Abstand zu mir
im Augenblick nicht mehr als zwanzig Meter. Und ich hoffte, sie würden Trierberg
nicht erschieÃen, wenn er herauskam.
»Würden Sie mir das Bild zeigen?« fragte er.
Es klang, als stünde er neben mir. Seine Stimme war erstaunlich
gelassen und sehr sonor. Eine Vaterstimme.
»Natürlich. Soll ich es irgendwo vor den Fensterladen halten?«
»Nein. Ich öffne Ihnen. Jetzt muà Schluà sein. Greifen Sie mich
aber nicht an, ich habe nichts mehr zu verlieren, ich habe alles verloren.«
»Warum sollte ich Sie angreifen?«
»Sie könnten der Mann sein, der mich töten will.«
»Es gibt einen Mann, der Sie töten will?«
»Aber ja.« Das klang immer noch gelassen.
»Ich bin nicht dieser Mann.«
Aus dem Innern der Hütte hörte ich jetzt gedämpften Lärm. An
der Tür neben mir wurde etwas verändert, wahrscheinlich hob Trierberg einen
Sperrbalken ab. Dann knarrte das Holz, und die Tür öffnete sich.
»Kommen Sie herein«, sagte er.
Er stand an einem mit Waffen und Munition bedeckten Tisch und
zündete eine Ãllampe an.» Als sie noch lebte, brannte diese Lampe immer«,
erklärte er.
Trierberg war ein groÃer Mann, zweifellos ein gut aussehender
Mann. Er hatte sich seit Tagen nicht mehr rasiert, wahrscheinlich auch seit
Tagen nicht mehr richtig gewaschen â er stank. Er trug einen grünen, dicken Pullover,
Kniebundhosen aus Wildleder, schwere Schuhe über dicken grünen Wollstrümpfen.
Sein Gesicht war lang und schmal und wettergegerbt, seine Augen rauchig grau,
wenngleich das im matten Licht der Ãlfunzel nicht genau auszumachen war.
»Das ist der Mann«, sagte ich und gab ihm die Kopie des Fotos
von Martin
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