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Eifel-Jagd

Eifel-Jagd

Titel: Eifel-Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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sich
verkrochen. Was mochte dieser Trierberg in der Hütte denken? War er panisch,
war er kühl? Zumindest schoß er gut. Wie würde er reagieren, wenn man ihm vorwarf,
Menschen getötet zu haben? Aus reinem Haß. Diese Frage machte mich unruhig. Es
war richtig, seine Motivation mochte so aussehen: Jemand erschießt seine Frau,
und er erschießt die, von denen er glaubt, daß ihre Welt seine Frau getötet
hat. Die Frau, nach der er so lange gesucht und die er endlich gefunden hatte.

    Doch plötzlich dachte ich: Da stimmt was nicht, da stimmt
vieles nicht. Ich will mit ihm reden. In meinem Kopf hörte ich Rodenstock mich
einen Hornochsen schimpfen, und Emma hörte ich sagen: Du bist bodenlos
leichtsinnig! Dann tauchte Dinah auf und bemerkte in reinem Spott: Also doch
ein Macho mit Waffe!

    Ich machte mich auf den Weg. Es würden etwa dreißig schwierige
Meter werden. Weil es unmöglich war, die Linie direkt zu nehmen, würden es wahrscheinlich
neunzig Meter sein, wenn ich dort war, wohin ich wollte. Ich kroch
hangaufwärts, möglichst flach. Das erste, was mir auffiel, war eine Kolonie
wilder Walderdbeeren ganz dicht vor meinen Augen. Dann stieg mir der
Modergeruch eines absterbenden Fichtenstammes in die Nase. Es roch gut. Über
ein grünes Moospolster kroch ein kleiner, funkelnder Käfer, sehr schnell, sehr
wendig. Als mein Atem ihn traf, ließ er sich einfach von dem Moos fallen,
landete auf dem Rücken und lag vollkommen still. Er mimte den toten Mann.

    Nun begann es zu regnen. Erst sanft, aber es steigerte sich
rasch. Nach etwa drei Minuten war ich vollkommen naß. Ich erinnerte mich an den
reinigenden Sommerregen in meinem Garten. Aber diese Erleichterung, dieses Gefühl
wirklicher Frische wollte sich hier auf der Schneise nicht einstellen.

    Ich kroch weiter, da feuerte er plötzlich. Er konnte mich nicht
meinen, denn unterhalb meines Standpunktes, sicherlich mehr als dreißig Meter
entfernt, peitschten zwei Schüsse in die wild gewachsenen Büsche der Schneise.
Der Wind kam aus dem Tal und drückte einen feinen Nebel den Hang hoch. Lange
würde das Licht nicht mehr reichen.

    Ich bewegte mich schräg links weiter den Hang hinauf, und nach
einigen Metern konnte ich die Seitenwand der Hütte sehen. Dort gab es ein
Fenster. Auf der Rückseite würden wahrscheinlich wie auf der Vorderfront zwei
Fenster sein, denn als Trierbergs Vater die Hütte errichten ließ, hatte er sie
auf eine Lichtung gebaut und vermutlich Sicht nach allen Seiten haben wollen.

    Ich mußte schnell an die Hütte heran, schnell und konzentriert.
Und ich wollte mir dabei keine Schußverletzung einhandeln, wenngleich das
unmöglich schien, denn die Büsche an der Schneise endeten gut zehn Meter vor
der Hütte, und der Wald hinter ihr zeigte keinerlei Unterholz.

    Ich riskierte es, Rodenstock über das Handy anzurufen.

    Â»Wo bist du, verdammt noch mal«, schnauzte er.

    Â»Gib mir mal eine Ablenkung«, sagte ich. »Und schimpf nicht
rum. Ich komme hangwärts runter auf die Hütte zu und will in den toten Winkel
zwischen der Tür und dem ersten Fenster. Es reicht, wenn du in die Schneise
hineinspringst und schießt. Also los, mach schon.« Ehe er losbrüllen konnte,
schaltete ich das Handy wieder aus. Dann wartete ich.

    Selbstverständlich war Emma nicht zu bremsen und machte bei der
Ablenkung mit. Sie rannte wild feuernd in die Schneise hinein, bis sie nach
vorn hechtete und irgendwo in der Deckung verschwand. Rodenstock folgte, er
startete mindestens zwanzig Meter unterhalb von Emma und setzte eindrucksvolle
Schüsse in die Jagdhütte; einmal splitterte Glas. Die beiden wiederholten das
Spiel, und ich begann zu rennen. Trierberg schoß, aber er ließ sich ablenken
und schoß nicht auf mich.

    Plötzlich überfiel mich Angst, sie war übermächtig, und für den
Bruchteil einer Sekunde wollte ich vor dem letzten Busch abstoppen und mich in
Sicherheit bringen, doch hier gab es keine Deckung mehr. Also rannte ich wie
verrückt auf den schießenden Trierberg zu, erreichte die Bohlen der schmalen
Veranda vor der Hütte, kam ins Straucheln, schlug auf die rechte Schulter und
rutschte an die Wand. Es knallte dumpf.

    Ich brauchte einige Zeit, um zu Atem zu kommen.

    Â»Trierberg? Hören Sie mich? Ich bin hier. In einem toten
Winkel. Sie können mich nicht erwischen. Und wenn Sie rauskommen, sind Sie

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