Eifel-Jagd
einen dunkelblauen einfachen Trainingsanzug, auf dem
hinten Zoll stand.
Narben-Otto kam von links in mein Blickfeld und steuerte den
Mann an, der an seinem Auto stehenblieb. Narben-Otto ging dicht an den kleinen
Mann heran, und sie begannen augenblicklich heftig aufeinander einzureden. Ganz
eindeutig hatten sie Streit, ihre Gesichter waren kantig, ihre Handbewegungen
ruckhaft und wütend. Das dauerte dreiÃig Sekunden, dann wandte sich der vom
Zoll ab und setzte sich wieder hinter das Steuer. Er fuhr sofort los, und zwar
nicht zurück zur StraÃe, sondern weiter in die Wiesen und Wälder hinein.
Narben-Otto kehrte in den Wagen zurück und atmete etwas
heftiger. »Ein Kumpel aus dem Dorf«, erklärte er ruhig. Dann sagte er ohne jede
Betonung: »Da ist übrigens ein Fremder im Wald, das sollten Sie noch wissen.
Ungefähr fünfundzwanzig bis dreiÃig Jahre alt, über einsachtzig groÃ. Mit einem
Zelt. Er übernachtet mal hier und mal da, redet mit keinem, macht einen
muffigen Eindruck, zieht immer die abgelegensten und dichtesten Stellen vor.
Das haben mir Waldarbeiter gesagt. Komisch.«
»Na ja, kann doch ein Naturfreak sein«, sagte ich. »Haben Sie
eigentlich eine Waffe?«
»Aber ja«, nickte er. »Sicherheitshalber. Wenn man allein im
Wald lebt, sollte man so etwas haben.«
»Waffenschein?«
»Habe ich auch«, sagte er lächelnd. »Sie sind sehr
miÃtrauisch.«
»Das Leben hat mich so gemacht«, murmelte ich. »Machen Sie es
gut, und lassen Sie keine Bösewichter an sich ran.«
Ich ging hinaus und schlenderte den Weg zur StraÃe zurück zu
meinem Auto. Sofort rief ich Kischkewitz an. »Jetzt bin ich allein. Berner ist
bei euch in Wittlich, oder?«
»Richtig«, antwortete er. »Ein Daddy-Typ. Geld wie Heu. Auf die
Frage, wieviel Geld er besitzt, hat er geantwortet, das wisse er nicht genau.
Und ich gehe jede Wette ein, daà er es wirklich nicht weiÃ. Er hat geweint.«
»Wie bitte?« fragte ich verblüfft.
»Er hat geweint, und er hat sich nicht dafür geschämt. Er sagt,
er habe sie geliebt wie eine Tochter. Cherie meine ich. Auf die Frage nach
Geschlechtsverkehr mit dieser Tochter hat er nur den Kopf geschüttelt. Er war
beweisbar in Düsseldorf auf einer Tagung von Bauunternehmern, er hat sogar eine
Rede gehalten, den Wortlaut habe ich hier. Er weià nicht, wie Cherie in die
Eifel gekommen ist, und er weià vor allen Dingen nicht, weshalb. Er sagt, er
habe Cherie im Monat fünftausend überwiesen, einfach so, um ihr ein gutes Leben
zu ermöglichen. Er hat sie wirklich geliebt, ob das tatsächlich nur väterliche
Liebe ist, weià ich nicht. Was halten Sie von Narben-Otto?«
»Ich bin unsicher. Komischer Kauz. Gibt es eine Akte über ihn?«
»Sicher. Die kriegen wir aus Düsseldorf, das Material wird
morgen oder übermorgen hier eintrudeln.«
»Kommt er als Mörder in Frage?«
»Auf Anhieb würde ich das verneinen. Aber ich habe schon Pferde
kotzen sehen. Hat er Ihnen auch von dem unheimlichen Unbekannten erzählt, der
durch die Wälder zieht und die Nächte im Zelt verbringt?« Kischkewitz lachte
leise und vergnügt.
»Hat er. Haben Sie den Mann gefunden?«
»Negativ. Ich habe zu wenig Leute, ich kann keinen Mann
entbehren. Wenn Sie ihn finden, sagen Sie ihm bitte, er soll sich bei mir
melden.«
»Mache ich. Was ist mit der Obduktion von Mathilde Vogt?«
»Ich warte auf das Ergebnis. Das wird noch ein paar Stunden
dauern. Ich habe keine Zeit mehr, machen Sie es gut.«
»Viel Glück«, sagte ich. »Aber etwas sollten Sie noch im Hirn
speichern: Narben-Otto besitzt eine Waffe mit Waffenschein.«
»Ach nee«, erwiderte Kischkewitz gedehnt.
Langsam fuhr ich zurück und dachte über die tanzende Unschuld
namens Cherie nach. Es muÃte Menschen geben, die sie gut kannten und die
anderes erzählten als der Verbreiter guter Nachrichten namens Narben-Otto.
Diese Menschen muÃte ich aufspüren.
In Büdesheim lenkte ich den Wagen Richtung Hillesheim. Ich
wollte im Kerpener Steinbruch nach Molchen schauen und, wenn genug da waren,
einige in meinen Teich umquartieren.
Das Biotop im Steinbruch war ohne einen Tropfen Wasser,
Kolbenschilf stand grün und nicht angekränkelt drei Meter hoch. Irgend jemand
hatte einmal behauptet, das Biotop werde kaputtgehen, weil Regenwasser
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