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Eifel-Jagd

Eifel-Jagd

Titel: Eifel-Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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seiner Lieblingsflinte
ausgerüstet. Vorher war jede Menge Mais um den Hochsitz herum ausgestreut
worden, so daß jedes Wildschwein auf zwei Quadratkilometern gar nicht anders
konnte, als an dem Hochsitz vorbeizuschlendern. Dann kam endlich eine passende
Sau, und der Jungjäger neben dem Alten gab ihm die Flinte und sagte: Da ist das
ideale Stück für Sie. Sehen Sie es? Der Alte erwiderte, er sehe es völlig klar,
hielt aber die Flinte in eine vollkommen falsche Richtung. Der Jungjäger sagte:
Ich zähle auf drei und Sie schießen. Dann zählte er auf drei, und der Alte
schoß. Gleichzeitig schossen noch drei Jagdfreunde auf die arme Sau, die
programmgemäß augenblicklich im Wildschweinhimmel landete ...«

    Â»Das ist wirklich so passiert?« fragte ich.

    Â»Das ist wirklich passiert«, nickte Rodenstock. »Aber die
Geschichte ist noch nicht zu Ende. Man bugsierte den Alten vom Hochsitz runter
und brachte ihn zu der Sau. Er wollte unbedingt ein Foto von sich und dem erbeuteten
Wild haben. Er konnte aber allein nicht stehen. Dabei wackelte er so hin und
her, daß der Fotograf nicht arbeiten konnte. Ein Handwerker in der Hilfstruppe
kam auf eine Idee. Sie sägten eine kleine Birke ab und fertigten aus dem Stamm
ein Kreuz. Das brachten sie so neben der toten Sau an, daß der olle Biersack
sich dagegen lehnen, der Fotograf die Stütze aber nicht sehen konnte. Dann
wurde das Foto gemacht. Jetzt kam es zu einer Panne. Ein junger Helfer der
Sautötungsgruppe ging zu dem Alten, sagte »Vielen Dank« und nahm das
Birkenkreuz aus dessen Kreuz. Da fiel der hilflose Alte um und schlug mit dem
Kopf auf den Kopf der Wildsau. Eine satte Gehirnerschütterung.«

    Â»Und wieviel davon ist Jägerlatein?« fragte ich.

    Â»Es war so«, antwortete er grinsend. »Und jetzt erzähle mir von
den beiden Todesfällen.«

    Â»Todesfälle sollte man das nicht nennen. In beiden Fällen war
es Mord. Eindeutig und unwiderlegbar. Und diesmal ist ein sehr guter Mann dran,
Kischkewitz heißt er, sitzt in Wittlich. Diese beiden Morde tragen für mich das
Zeichen von geradezu erschreckender Perfektion. Kischkewitz sagt, es sind
Hinrichtungen. Ich stimme ihm zu.«

    Ich erzählte ihm das bisher Geschehene und bemühte mich, jede
Kleinigkeit zu erwähnen. Rodenstock war ein Meister der kleinen Dinge, er
konnte sie lesen wie der Normalverbraucher die Tageszeitung, er konnte sie einordnen,
malte mit ihrer Hilfe ein Bild.

    Ich erwähnte also auch, daß die tote Cherie ihr Haar in einem
dicken blonden Zopf trug, und sofort schoß Rodenstock die Frage ab: »Frauen
fixieren in der Regel solche Zöpfe. Wie hat Cherie den Zopf fixiert. Mit einem
Kamm, mit einem Band?«

    Ich war stolz, wie aus der Pistole geschossen antworten zu
können: »Sie fixierte den Zopf an seinem Ende mit einem Band, mit einem bunten
Band. Warum ist das wichtig?«

    Â»Weil es Rückschlüsse zuläßt«, antwortete er. »Macht sie es mit
einem Gummiband, geschieht es in Eile, oder aber es ist ihr wurscht. Macht sie
es mit einem einfachen Ring, gehört sie zu denen, die praktisch sind. Macht sie
es mit einem bunten Band, fuhr sie im Grunde frohgelaunt mit dem Taxi in die
Eifel. Das wiederum läßt den Schluß zu, daß die Nachricht, die sie in die Eifel
lockte, durchaus nicht deprimierend war. Das könnte eine Grundstruktur des
Täters andeuten. Er holte sie mit einem ganz schlichten, einfachen Grund in die
Eifel, er machte keine Sensation daraus, er gab nicht vor, jemand sei
überraschend gestorben.« Rodenstock sah mich an. »Nehmen wir an, wir sind hier
in der Sonntagsschule. Frage: Was folgt nun daraus?«

    Ich bemühte mich um den Ton des sächsischen Gymnasialdirektors
aus der Feuerzangenbowle , ich
antwortete: »Das bedeutet für uns, daß wir es mit einem Profi zu tun haben, der
niemals übertreibt und eher nach Minimallösungen sucht. Eine ganz schlimme Art
von Täter.«

    Â»Da gibt es noch etwas, das auf einen Profi hindeutet, der kühl
und gezielt eine Minimallösung findet.«

    Â»Richtig«, sagte ich. »Die Spur des Autos im Gras des
Waldweges. Er steigt aus, sie steigt aus. Und offensichtlich hat sie keine
Ahnung, was sie erwartet. Sie gehen nach vorn in die Richtung, in der das Auto
steht. Sie treffen sich unmittelbar vor der Motorhaube. Und dann laufen sie
noch ein paar Schritte, und er richtet sie

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