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Eifel-Jagd

Eifel-Jagd

Titel: Eifel-Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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starb?«

    Â»Die letzte Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich weiß es
nicht.« Geschäftig räumte er Tassen und Teller auf den Tisch, setzte Wasser
auf, einen Topf für die Eier. Er kramte Marmelade und Butter aus dem
Eisschrank, rohen Eifler Schinken. Der Mann verstand zu leben, und er spielte
die Rolle des Gastgebers perfekt.

    Â»Tja, Cherie. Wie soll man sie beschreiben? Sie gehörte zu
einer Gruppe junger Frauen, die in bestimmten Lokalen der Düsseldorfer Altstadt
mehr zu Hause sind als in der eigenen Wohnung.« Er grinste schief. »Ich sage immer,
das sind die Weiber der Fun-Generation. Ich will Spaß, und den will ich jetzt.
Sie machen in den Klubs rum, sie machen im Karneval mit, sie stehen immer zur
Verfügung.« Narben-Otto hob die Hand und seufzte: »Halt, mein lieber
Kaiserswerth, du verwirrst dein Publikum. Das klingt so nach Edelnutte. War sie
aber nicht, war sie durchaus nicht, denn ...«

    Â»Darf ich mir ein paar Notizen machen?«

    Â»Aber ja, kein Problem.«

    Â»Sie reden von sich selbst als Kaiserswerth. Wieso? Wie der
Düsseldorfer Stadtteil? Heißen Sie mit bürgerlichem Namen so?«

    Â»Ich bin Dr. med. Markus Kaiserswerth. Der Kaffee und die Eier
sind fertig.«

    Â»Wann sind Sie denn ausgestiegen? Warum heißt es, Sie seien ein
Penner?«

    Er goß uns Kaffee ein. »Ich bin einer«, sagte er ruhig und
setzte sich mir gegenüber an den Tisch, um sofort wieder aufzustehen. Er kramte
in einem schmalen hohen Schrank herum, der voller Aktenordner und Papiere war,
und legte die Kopie eines Zeitungsartikel vor mich hin. Es war der Kölner Express , eine Ausgabe von 1995,
also drei Jahre alt.

    Â»Statt Visitenkarte«, sagte er spöttisch.

    Die Schlagzeile war groß und fett: Der Arzt, der ein Penner wurde . Der Vorspann begann mit den Worten: Der Mann ist seit Jahren ein Gerücht.
Seit Jahren gibt es in der Düsseldorfer Altstadt unter den Stadtstreichern
einen Mann, von dem behauptet wird, er sei in Wirklichkeit Arzt. Im Express bricht er zum erstenmal sein Schweigen.
Narben-Otto heißt tatsächlich Dr. med. Markus Kaiserswerth.

    Der Text war lang und schwülstig. Es war eine jener Sozialreportagen,
die über 200 Zeilen die ganz und gar sensationelle Geschichte eines guten
Herzens ausbreitet: Arzt verliert durch Unfall seine Familie, gerät in Kontakt
zu Obdachlosen und beginnt, mit ihnen zu leben. Zitat: » Ich habe meinen Platz bei den Ärmsten der Armen gefunden. Dort lebe
ich, dort will ich weiterleben.«

    Â»Aha«, murmelte ich. »Und weshalb Narben-Otto?«

    Â»Mein Rücken ist voller Narben. Eine Bullenpeitsche.« Er
grinste flüchtig, setzte seinen Stuhl zurück und zog den Pulli aus. Über seinen
kräftigen, muskulösen Rücken zogen schmale, lange Narben, parallel wie eine
Schraffur. Er zog den Pulli wieder über, setzte sich zurecht und begann,
Scheiben von dem Schinken abzuschneiden. »Es war eine wilde Zeit«, murmelte er.

    Â»Ihre Familie kam um?«

    Â»Nein, so war es nicht. Meine Frau betrog mich mit einem
Kollegen. Jahrelang. Dann versuchten sie, mir die Praxis abzuluchsen, aber ich
wollte nicht verkaufen. Ich geriet ... na ja, ich geriet in eine Krise. Ich
machte ein halbes Jahr Pause, ich lebte wirklich bei den Pennern, ich geriet
ans Saufen. Dann wurde ich zwangsweise in die Psychiatrie gesteckt, sie ließen
mich entmündigen. Der Zustand dauerte nur vier Wochen, war aber lang genug, dem
Geliebten meiner Frau offiziell die Praxis zu verkaufen. Als ich entlassen
wurde, stand ich auf der Straße, meine Zulassung war mir genommen worden. Ich
hatte den Unternehmer Julius Berner zwei Jahre lang behandelt, er hatte
Probleme mit dem Kreislauf. Der tauchte plötzlich auf und verpflanzte mich
hierher in den Bauwagen. Er ist der Jagdherr hier.«

    Â»Was war mit der Bullenpeitsche?«

    Â»Durch Zufall ließ ich in der Düsseldorfer Altstadt eine
Dealer-Clique hochgehen. Sie schickten mir aus Amsterdam die Bullenpeitsche,
ich lag acht Wochen im Krankenhaus. Dies ist jetzt der dritte Sommer im Wald.
Langsam werde ich wieder gesund.«

    Â»Aber Sie werden keine Zulassung mehr bekommen.«

    Er nickte. »Das weiß ich. Möglicherweise bekomme ich eine
Zulassung als Naturheiler. Irgendwie wird es weitergehen.«

    Â»Haben Sie darüber nachgedacht, ob Sie das dritte Opfer des
Mörders werden können? Ich meine, das ist

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