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Eifel-Kreuz

Eifel-Kreuz

Titel: Eifel-Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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als ersten Tag.«
    Sie arbeitete mit schnellen, energischen Bewegungen, listete
die Wochentage auf. Das Ergebnis war eine Tabelle, in die nur zwei Ereignisse eingetragen
waren: Freitag – Gabriele S.
verschwunden, Sonntagmorgen – Sven D. verschwunden.
    Stumm starrten wir auf das Packpapier, bis ich sagte:
»Ich bin hundemüde und möchte schlafen.«
    Â»Du hast recht, ich schmeiße dich raus.«
    Ich fuhr heim und wollte mich gerade ins Bett packen, als
das Telefon schrillte.
    Â»Baumeister hier.«
    Â»Papa, ich bin’s, Clarissa. Ich muss mit dir reden.«
    Â»Kein Problem, ich höre.«
    Â»Na ja, das sagst du so. Aber so einfach ist das nicht.«
Ihrer Stimme war deutlich zu entnehmen, dass sie kurz vor einem Heulkrampf
stand.
    Â»Wenn es nicht einfach ist, dann mach es einfach. Sag
mir, was los ist, damit du reden kannst.«
    Â»Papa, ich liebe eine Frau.«
    Automatisch dachte ich: Warum geht es nicht eine Nummer
kleiner? »Na, und? Was ist denn daran so furchtbar?«
    Â»Papa, ich bin eine Lesbe!« Sie war eindeutig hysterisch.
    Â»Halt mal still«, sagte ich langsam. »Mit wem hast du bis
jetzt darüber geredet?«
    Â»Mit Mami, natürlich.«
    Â»Was sagt die?«
    Â»Ich soll mit meinem Therapeuten darüber sprechen.«
    Â»Gehst du etwa immer noch zu einem Therapeuten?«
    Â»Eigentlich nicht.«
    Â»Und was hältst du von dem Vorschlag?«
    Â»Ehrlich gestanden, nichts. Was geht den mein Leben an?«
    Â»Richtig so, würde ich sagen. Wie sieht sie denn aus?«
    Â»Wie, wie sieht sie aus? Was soll das?«
    Â»Wie sieht deine Geliebte aus, habe ich gefragt. Ist sie
schön, ist sie hässlich, ist sie farblos, ist sie kleinkariert?«
    Â»Nein, nein. Sie ist schön!«
    Â»Klasse. Wie alt?«
    Â»Zwanzig.«
    Â»Das passt doch. Wo lebt sie?«
    Â»Hier in München natürlich.«
    Â»Was ist daran natürlich? Ist sie witzig? Hat sie was auf
dem Kasten? Kann sie über sich selbst lachen?«
    Â»Also, Papa, du fragst Sachen! Was soll ich denn darauf
antworten?«
    Â»Keine Ahnung. Aber zunächst einmal ist die Nachricht
doch gut, oder? Du bist verliebt, deine Geliebte ist schön. Du bist lesbisch,
du hast das entdeckt, du bist sprachlos, du bist verwirrt. Ja, und? Ist doch
nichts Schlimmes, sondern was Schönes, oder? Stell dir vor, du wärst
verheiratet, hättest drei Kinder und an deinem fünfundvierzigsten Geburtstag
würdest du entdecken, dass du in Wahrheit Frauen liebst. Dann, würde ich sagen,
hättest du ein Problem.«
    Â»Ja, aber, ich meine, also, was ich sagen wollte …, ich
muss doch …, also, es ist doch so, dass ich jetzt all meinen Freunden sagen
muss: April, April! Bis jetzt war alles falsch.«
    Â»Wie heißt sie eigentlich?«
    Â»Sie heißt Jeanne, wie die französische Jeanne.«
    Â»Arbeitet sie, studiert sie, privatisiert sie? Wusste sie
denn immer schon, dass sie lesbisch ist?«
    Â»Nein, das ist alles neu, für sie auch.«
    Â»Was ist in deinem Bauch, wenn du an sie denkst?«
    Â»Na ja, hm, ich würde mal sagen, dass …«
    Â»Clarissa, liebst du diese Frau?«
    Â»Ja.«
    Â»Wunderbar! Dann ist das so und du solltest dich freuen.
Wie lange geht das schon?«
    Â»Seit drei Wochen.«
    Â»Und seit wann weißt du, dass du Frauen liebst?«
    Â»Na ja, wenn ich ehrlich sein soll, seit vier oder fünf
Jahren. Himmel! Wie soll ich das nur Bernd sagen?!«
    Â»Wer ist Bernd?«
    Â»Das ist der, mit dem ich offiziell zusammen bin, und das
schon ziemlich lange.«
    Â»Schick ihn vorsichtig in die Wüste.«
    Â»Papa, das geht doch nicht! Der springt vor die S-Bahn,
der bricht zusammen.«
    Â»So leicht bricht es sich nicht. Vielleicht bist du gar
keine reinrassige Lesbe, vielleicht bist du bisexuell? Hast du schon einmal
darüber nachgedacht?«
    Â»Papa!«
    Â»Hör zu: Du hast wahrscheinlich erwartet, dass ich laut
aufschreie und allen meinen Leuten in der Eifel erzähle: Ach Gott, ach Gott,
meine Tochter ist homosexuell! Ist das nicht schrecklich? Aber so reagiere ich
nicht, weil es gelogen wäre. Wenn du lesbisch bist, eine feste Freundin hast
und zufrieden und lustvoll lebst, kannst du doch nicht von mir erwarten, dass
ich Theater mache! Es gibt Schwule, es gibt Lesben, übrigens sogar hier in der
Eifel. Einige finde ich Klasse und mag sie gern, andere sind einfach Schwuchteln,
mit

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