Eifel-Kreuz
hatte eine Unmenge Schnittchen hergerichtet, als
wollte sie eine Kompanie der Bundeswehr abfüttern. Sie tat den üblichen
Hausfrauenspruch: »Viel ist es ja nicht, ich hoffe, es reicht für den ersten
Hunger.«
Ohne Worte waren wir uns einig, dass wir Rücksicht auf
den schwer getroffenen Alex nehmen wollten, weshalb wir nicht weiter über den
Fall sprachen, sondern ratschten wie gute Hausfrauen auf einem Kaffeekränzchen.
Rodenstock meinte: »Der Lachsschinken ist fantastisch!«
Ich schob nach: »Probier mal die Cervelatwurst. Ungeheuer
gut!«
Darauf sagte Emma: »Ich wollte immer schon wissen, wie
sie den Eifler Bergkäse herstellen. De-li-zi-ös!«
Und dann starrten wir uns an, als hätten wir das Rad erfunden.
Alex Wienholt aà lustlos und trank eine Menge von Rodenstocks
exquisitem Rotwein von der Mosel. Der Junge hielt den Blick auf den Tisch
gerichtet und schien nicht zuzuhören.
Plötzlich sagte er: »Was ich noch fragen wollte: Ist Sven
eigentlich mit derselben Waffe erschossen worden, mit der auch diese Frau
erschossen wurde?«
»Die Untersuchungen laufen. Das steht noch nicht fest.«
Rodenstock musterte ihn. »Ich bringe Sie gleich nach Hause, Alex. Die
Fernsehfritzen werden inzwischen aufgegeben haben.« Er lächelte. »Wir können
nicht verhindern, dass die Medien weiter versuchen werden, an Sie
heranzutreten. Niemand kann das. Falls es eine Hilfe ist: Wann immer Sie
Auskunft geben sollen, fragen Sie telefonisch bei mir oder Baumeister an, ob
Sie sich darauf einlassen können.«
Alex Wienholt erwiderte kein Wort, sondern nickte nur.
Wenig später fuhren die beiden los, und Emma und ich
blieben etwas ratlos zurück, bis sie mit energischem Ton vorschlug: »Machen wir
eine Zeittafel. Das durchaus meiste dieses Falles spielt sich zu einer Zeit ab,
über die wir nicht das Geringste wissen. Bist du einverstanden?«
»Einverstanden«, sagte ich und berichtete ihr schnell und
konzentriert von meinen Gesprächen mit dem Pastoralreferenten Thomas Steil und
dem Mädchen Dickie Monschan. Ich schloss mit dem Satz: »Beide versuchen den
Eindruck zu vermitteln, dass die Clique eine ganz normale Jugendclique ist.
Aber ich bin immer misstrauisch bei so viel Normalität. Und auÃerdem bin ich
erstaunt, dass auch du dich so in den Fall reinhängst.«
»So ist es aber.«
Emma ging zur Westwand des Wohnzimmers und nahm die vier
Drucke von der Wand, die Jagdszenen aus dem französischen 16. Jahrhundert
zeigten. Dann verschwand sie kurz und kehrte mit einer groÃen Rolle Packpapier
in den Händen zurück. »Hilf mir mal.«
Wir legten zwei Bahnen quer über die Wand, pinnten sie an
und bekamen so eine beschreibbare Fläche von rund zwei mal vier Metern.
»Lass uns tageweise vorgehen«, entschied Emma. »Und wir
nehmen an, dass Sven und die kleine Sikorski sich kannten. Einverstanden?
Natürlich bist du einverstanden, Widerstand ist sowieso zwecklos. Und weshalb
ich mich einmische, kann ich dir genau sagen. Ich habe mindestens zwei Stunden
vor diesem Gekreuzigten in dem Saal in St. Adelgund gehockt und mich ständig
gefragt, wie dieser Junge gelebt hat. Ich hätte auch gern gewusst, wie er
lachte und sich freute. Ich glaube, ich hätte ihn gern gekannt. Er hatte so ein
schönes Gesicht. So. Als Erstes müssen wir festhalten, dass wir nicht wissen,
wann sich die Tat genau ereignete. Gehen wir davon aus, dass Sven, wie seine
Eltern aussagen, zum letzten Mal am Sonntagmorgen zu Hause war. Ist das richtig?«
»Richtig. Heute ist Freitag. Wir sollten am vergangenen
Sonntag mit der Liste einsetzen.«
»Falsch«, korrigierte sie kühl. »Wir müssen mit dem Freitag
davor beginnen. Denn ab diesem Tag hat Vater Sikorski seine Tochter Gabriele
vermisst. Das ist eine volle Woche her. Stimmst du zu?«
»Ich stimme zu und erinnere mich quälend, dass ich niemanden
danach gefragt habe, wann er oder sie Sven jeweils zuletzt gesehen hat. Nun
gut, wir haben bei Gabriele eine Fehlzeit von gut einer Woche, bei Sven immerhin
von knapp sechs Tagen. Wobei wir die genauen Todeszeitpunkte noch nicht kennen.
Und nicht mit letzter Sicherheit wissen, ob Sven getötet wurde, bevor er ans
Kreuz genagelt wurde, oder umgekehrt. Deine Liste wird verdammt mager
aussehen.«
»Es wird unsere Aufgabe sein, diese Liste mit Inhalt zu
füllen. Ich notiere also den Freitag vergangener Woche
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