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Eifel-Kreuz

Eifel-Kreuz

Titel: Eifel-Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Chef. Machen wir.«
    Kischkewitz öffnete die Tür zum Wohnzimmer und ich hörte
ihn etwas weniger forsch sagen: »Es tut mir leid, Frau Steil, mein herzliches
Beileid. Darf ich trotzdem ein paar Fragen …« Er schloss die Tür und ich
vernahm nur noch undeutliches Gemurmel.
    Thomas Steil hatte hier gelebt, als gebe es seine Frau
und die Kinder nicht. Wie war das möglich? Ich war verblüfft. Aber was hatte
ich schon über den Mann und sein Leben gewusst?
    Unvermeidlich stellte sich mir die Frage, ob ich ihm irgendwie
hätte helfen können. Die Antwort lautete: Nein. Aber immer, wenn ich künftig
seinen Namen hören würde, würde mich ein unbehagliches Gefühl befallen. So viel
war sicher, das wusste ich aus anderen Erfahrungen.
    Nach einer halben Stunde erschien Kischkewitz wieder,
ging zu seinem Auto, reichte mir eine Mappe mit den Fotos und sagte: »Ich
verschwinde. Du kannst mit der Frau sprechen, ich habe keine Einwände.«
    Ich stopfte mir eine Pfeife, rauchte sie an und ging
zurück ins Haus. Oben polterte etwas. Sie hängten ihn wohl ab, dann würde ein
Beerdigungsunternehmer kommen und den Leichnam zur Rechtsmedizin nach Mainz
fahren.
    Ich klopfte an die Tür zum Wohnzimmer und die Frau
antwortete mit einem klaren »Herein, bitte!«.
    Â»Guten Tag, mein Name ist Baumeister, ich bin Journalist.
Ich war wohl der Letzte, der mit Ihrem Mann gesprochen hat.«
    Sie schüttelte bedächtig den Kopf und antwortete: »Nein,
das waren Sie nicht. Thomas war gestern Nachmittag ins Generalvikariat in Trier
bestellt. Sie haben ihn fristlos gefeuert.«
    Ich setzte mich auf den Sessel ihr gegenüber. »Warum
das?«
    Â»Weil er das Vertrauen seines Arbeitgebers missbraucht
hat.«
    Â»Aber was hat er denn getan?«
    Die Frau des Pastoralreferenten war eine schmale Frau mit
großen braunen Augen und einem energisch wirkenden Mund.
    Â»Sein Fehlverhalten ist im Sinne der Kirche eindeutig. Er
hatte Familie und gleichzeitig eine Freundin. Ich war seine Frau, hatte aber
einen Freund. Es war vollkommen klar, dass sie ihn feuern würden.
Pastoralreferenten müssen selbstverständlich in katholischer Ehe leben und den
Moralvorstellungen der Kirche genau entsprechen. Tun sie das nicht, verstoßen
sie gegen eine Klausel ihres Anstellungsvertrags und berechtigen die Kirche zur
fristlosen Kündigung. Das klingt wie Mittelalter, ist auch Mittelalter.« Ihre
Gesichtszüge waren hart geworden.
    Â»Haben Sie mit ihm gesprochen, nachdem er aus Trier zurückgekommen
war?«
    Â»Natürlich. Er rief mich an und sagte mir, dass alles aus
sei.«
    Â»Was haben Sie geantwortet?«
    Â»Dass das Leben weitergeht. Dass er Mut haben soll, dass
die katholische Kirche nicht alles ist.«
    Â»Und? Haben Sie ihn erreicht?«
    Â»Wohl nicht, oder?« Endlich weinte sie. Sie weinte ganz
still, schluchzte nicht.
    Â»Moment mal, die Kirche hat aber doch als Arbeitgeber
eine Fürsorgepflicht ihren Angestellten gegenüber.«
    Â»Ja? Die übt sie aber nicht aus. Sie ist brutal,
unglaublich brutal. Und das Schlimmste ist, dass die normale Welt da draußen
das alles mitmacht.«
    Von oben war wieder ein Poltern zu hören.
    Â»Jetzt … jetzt legen sie ihn in die Kiste, nicht wahr?
Das tun sie doch jetzt, oder?« Sie flüsterte: »Ich würde so gern schreien.«
    Â»Dann schreien Sie doch«, sagte ich in die Stille.
    Vor der Tür stellte ein Mann fest: »Schorsch, wir kriegen
die Wanne nicht hoch.«
    Die Frau begann zu schreien.
    Erst war es ein durchdringend hohes Heulen, dann wurde es
tiefer, zwei, drei Atemzüge lang setzte sie aus. Dann wurde es zunehmend
wütender. Und dann schrie sie wirklich. Sie schrie so sehr, dass es mir
körperliche Schmerzen bereitete.
    Die Tür öffnete sich mit Wucht, das Gesicht des Mannes
war rot, er wirkte erregt. Ich hob die Hand, er starrte mich an, kam zu sich
und nickte leicht. Lautlos schloss er die Tür wieder.
    Die Frau schrie immer noch mit aller Kraft und sie wurde
geschüttelt von ihrer Wut und Traurigkeit. Es dauerte lange, es dauerte viel zu
lange.
    Â»Was erzähle ich bloß den Kindern?«, stammelte sie endlich.
»Er war doch ihr Held.«
    Â»Das kann er doch bleiben«, sagte ich und fand meine
Bemerkung im gleichen Augenblick dümmlich.
    Â»Ich muss heim«, sagte sie. »Wie lange dauert so was? Ich
meine, die Untersuchung?«
    Â»Drei,

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