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Eifel-Kreuz

Eifel-Kreuz

Titel: Eifel-Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Eifler die Chance bekommen, richtig
viereckiges Geld auszugeben, dann tun sie das und genießen es über alle Maßen.
Solange es nicht ihr eigenes ist.
    Auch in Koblenz war Samstagnachmittag – die stadteinwärts
führende B9 war auf vier Spuren dicht. Die Gesichter, in die ich schaute, waren
grau und ohne jede Hoffnung. Aber irgendwie ging es dann doch im Schleichgang
weiter, sodass ich am Löhrcenter abfahren und den Bahnhof ins Visier nehmen
konnte. Ich erwischte einen äußerst fragwürdigen Parkplatz und stapfte dann auf
die Deutsche Bahn zu.
    Sie saßen nicht im Restaurant, sondern sie standen davor
und erinnerten mich an kleine Kinder, die man ausgesetzt hatte.
    Ich weiß nicht, ob ich es erwähnte, meine Tochter Clarissa
ist sehr hübsch. Sie ist groß gewachsen und schlank und hat Rasse, wenn ich das
so sagen darf.
    Das Wesen, das sie im Schlepptau hatte, musste als schön
bezeichnet werden. Ebenso groß wie Clarissa, ebenso schlank, mit einem Helm aus
langen blonden Haaren. Ob sie eine Lesbe war oder nicht: Sie würde in vielen
Kinderzimmern Unheil anrichten.
    Â»Ich bin der Vater, mein Name ist Siggi«, röhrte ich froh-

gemut, hielt das Wesen eine Sekunde an der Schulter fest und wandte mich dann
meiner Tochter zu, die ihre Arme ausbreitete und mich kräftig drückte.
    Â»Ich bin so was von froh!«, sagte Clarissa in meine Halsbeuge.
»Weißt du, eigentlich wollten wir was essen. Aber die Leute gucken alle so. Da
haben wir hier gewartet. Ach, Väterchen!«
    Â»Die Leute gucken so, weil ihr so hübsch seid. Was machen
wir jetzt?«
    Â»Essen?«, fragte Jeanne.
    Mir fiel erst jetzt auf, dass sie eine Brille trug. Diese
Brille wirkte eindeutig erotisch.
    Â»Essen!«, nickte ich. »Ich weiß auch, wo. In der Kaffeewirtschaft. Ein klasse
Etablissement mit hervorragenden Salaten. Wenn ich euch so anschaue, leidet ihr
doch bestimmt unter irgendwelchen Diäten.«
    Â»Ich esse alles«, stellte Jeanne klar.
    Â»Ich auch«, sagte meine Tochter.
    Â»Also, los!«
    Ich fuhr ein paar Straßen weiter, umrundete die Altstadt,
parkte unten am Moselufer und führte mein Lesbenpaar die schmalen Straßen
hinauf zur Kaffeewirtschaft.

    Wir ergatterten einen guten Tisch mit Blick auf den ganzen
Rest der Welt und ich betrachtete diese Sprösslinge vor mir nicht ohne Rührung.
»Wie geht es euren Seelen?«
    Â»Sehr gemischt«, erklärte meine Tochter.
    Â»So zwischen Heulen und Lachen.« Jeanne legte ihren Kopf
an Clarissas Schultern. »Wie lautet noch der Klassiker: himmelhoch jauchzend
und zu Tode betrübt.«
    Â»Zu Tode betrübt? Na, hört mal. So seht ihr aber eigentlich
nicht aus.«
    Â»Das Problem ist, dass sich alle möglichen Menschen neu auf
uns einstellen müssen. Und das macht es so schwierig.« Clarissa, das war sehr
deutlich, war im Augenblick dichter am Weltuntergang als auf einer
paradiesischen Insel.
    Â»Also, okay. Dann erledigen wir zuerst die Schwierigkeiten.«
    Der Salat wurde aufgetischt. Das, was auf den Tellern zu
sehen war, machte den Eindruck, als hätte die Küche jedem von uns einen eigenen
Vorgarten angerichtet. Die beiden jungen Frauen zierten sich nicht, sie langten
ungehemmt zu, und wegen ihrer ungeheuer schnellen Kaubewegungen wurde jede
Unterhaltung gestoppt.
    Schließlich atmete meine Tochter einige Male tief durch
und lehnte sich zurück. »Mami zum Beispiel. Ich bin total durch den Wind,
spreche es endlich aus: ›Wahrscheinlich bin ich eine Lesbe!‹ Und das Einzige,
was ihr dazu einfällt, ist ein Therapeut.«
    Â»Ihr müsst den Menschen Zeit geben, mit der neuen Situation
fertig zu werden.«
    Â»Genau«, zischte Jeanne. »Zeit! Mein Vater – will Samstagmorgen
wie immer zum Golfspielen nach Grünwald und ich sage: ›Hast du mal eine halbe
Stunde Zeit für mich?‹ Antwortet er: ›Keine halbe Stunde, zehn Minuten.‹ Da war
ich schon mürbe. Der Arsch! Wir standen in der Garage, ich sagte: ›Ich liebe
Frauen!‹ Antwortet er: ›Das ist Quatsch.‹ Das war alles.«
    Verzweifelt starrten beide auf die Reste ihrer Vorgärten,
die vor sich hinwelkten.
    Â»Ihr müsst euch klarmachen, wie sehr solch eine Nachricht
die Menschen, die euch nahe stehen, verunsichern kann. Wie geht denn dein Vater
sonst mit dir um?«
    Â»Genau so«, antwortete Jeanne scharf. »Sein Standardspruch
ist, eine

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