Eifel-Kreuz
sie einen Dammriss. Da sagt der behandelnde Arzt: âºDas
machen wir schon, du bekommst eine Narkose, dann tut es nicht so weh.â¹ âºKommt
nicht infrage!â¹, fährt die anwesende katholische Nonne dazwischen. âºHerr
Doktor, die Frau hat gesündigt!⹠Und da das Krankenhaus von den Nonnen betrieben
wurde, verzichtete der Arzt tatsächlich auf eine Betäubung. Solche Geschichten
gibt es zu Hunderten. Zum Glück reden die alten Frauen nämlich endlich darüber,
was ihnen widerfahren ist. Diese Dörfer waren wie Treibhäuser, schwül und
sündig. In alles redete die Kirche rein, egal ob in das Leben vor der Ehe oder
danach. Die Kirche stellte MaÃregeln für den sexuellen Umgang auf, indem sie
kurzerhand alles als Sünde erklärte. Aber trotzdem hat sich keiner daran
gestört, wenn sich der Bauer in aller Ãffentlichkeit an der Magd vergriff. Das
gehörte eben dazu und war normal.«
»Und du meinst, das hat sich geändert?«
»Auf jeden Fall. In den Sechziger- und Siebzigerjahren
des letzten Jahrhunderts ist ein gewaltiger Ruck durch das Land gegangen. Die
Eifler waren gezwungen, in zehn Jahren ein ganzes Jahrhundert aufzuholen. Aber
sie haben es bravourös geschafft. Mussten sich allerdings auch harten
Einsichten stellen. Der Pfarrer war plötzlich ein Mann, der durchaus nicht
immer recht hatte. Man musste zur Kenntnis nehmen, dass wunderbare Pfarrer, die
sich für ihre Gemeinde engagierten und viel Gutes taten, sich als Männer mit
einem verhängnisvollen Hang zur Pädophilie entpuppten. Wobei ich denke, dass
die meisten mit der Erkenntnis, dass Pfarrer fehlbar, also auch nur Menschen
sind, leben können. Anders sieht es zum Teil bei den Kirchenleuten selbst aus.
Habe ich selbst erlebt, dass ein katholischer Priester vor mir saÃ, der
vollkommen fassungslos sagte: âºAber ich bin Priester, ich bin ein geweihter
Mann, ich bin unantastbar.â¹Â«
»Glaubst du, dass die Kirche eine Zukunft hat?«
»Tja, schwierig zu sagen. Es wird ja behauptet, die
Kirche resigniere, sie ziehe sich zurück. Und tatsächlich tut sie das auch. Die
Versorgung mit Priestern ist dermaÃen dünn geworden, dass in Zukunft ein
Pfarramt zuständig sein wird für etwa sechstausend Gläubige. Dann ist Schluss
mit persönlicher Seelsorge, Kirchen werden entweiht und verkauft werden. Das Ruhrbistum
in Essen hat schon einhundert Kirchen aufgegeben, in der ZEIT gab es eine gute
Reportage. Da fragte der Reporter einen Küster, was denn mit seiner Kirche geschehen
solle. Antwortet der Mann: âºNa ja, letztlich ist das egal, Hauptsache kein
Puff.⹠Wenn die Kirche nicht ihre Positionen überdenkt, zum Beispiel Frauen zum
Priesteramt zulässt und den Zölibat endlich aufgibt, wird die Volksflucht anhalten.«
»Und der Weltjugendtag in Köln?«
»Das ist ein Event, die groÃe Show, nichts Stabiles. Das
ist doch lachhaft: Der Kirchentag in Saarbrücken fordert soziale Gerechtigkeit.
Dabei wissen die Leute genau, dass diese Forderung von der Kirche selbst nicht
erfüllt wird. Wenn ein katholischer Priester seines Amtes enthoben wird, weil
er die Kommunion auch an evangelische Christen verteilte, aber gleichzeitig ein
ökumenischer Gottesdienst vom Vorsitzenden der katholischen Bischöfe und einem
evangelischen Bischof gehalten wird, sind die Leute verwirrt, verstehen die
Welt nicht mehr. Aber erklärt haben wollen sie das eigentlich auch nicht. Denn
die Erklärungen sind immer die gleichen und sie sind immer gleichermaÃen
arrogant. Im Notfall wird als Beweis noch ein Zitat vom heiligen Augustinus
angefügt â und niemand kann den Gegenbeweis liefern, dass er das nie gesagt
hat.«
»Du wirst giftig.«
»Ja, und das mit Genuss. Und jetzt übernimmst du gefälligst
das Steuer. Ich fahre doch nicht ewig für so junge Spunde, die einfach nur zu
faul sind.«
Wir hielten an einer Raststätte, aÃen etwas und fuhren
dann weiter.
Rodenstock brummelte: »Wenn ich so Monologe spinne, komme
ich mir hinterher immer ekelhaft vor. Als wüsste ich etwas besser. Dabei weiÃ
ich alles besser, aber daran ändern kann ich nichts.«
Gegen Mittag schlugen wir von Dresden aus auf der A13 die
nördliche Richtung ein.
»Wissen wir überhaupt, wo wir hin wollen?«
»Ja, ich habe eine Adresse. Ein Kripomann, zu dem Kischkewitz
vor Jahren mal Kontakt hatte, er soll sehr freundlich
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