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Eifel-Kreuz

Eifel-Kreuz

Titel: Eifel-Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Landstrich sah? Kennst du diese Worte noch?«
    Â»Ja, sicher. Aber das ist doch nicht falsch, oder?«
    Â»Nein. Aber das ist nur die Hälfte der Wahrheit. Und es
ist eine fantastische Entschuldigung für die Eifel und ihre Bewohner, es macht
die Sache irgendwie niedlich. Über die andere Hälfte wird nie gesprochen. Die
Eifler selbst sehen es nicht und die katholische Kirche hat kein Interesse daran.«
    Â»Kannst du das ein bisschen ordnen?«
    Â»Fangen wir bei der Auswanderung im neunzehnten Jahrhundert
an. Da sind ganze Dörfer mit Mann und Maus von heute auf morgen verschwunden.
Sie machten sich auf den Weg in die USA, nach Australien, nach Neuseeland. Du
hast diese Auswanderung mal damit begründet, dass hier so eine entsetzliche
Armut herrschte. Sie flohen aber nicht nur vor der Armut. Sie flohen auch vor
der Knute der Pfarrer. Diese Pfarrer predigten, dass allein das göttliche Sittengesetz
alles regle. Alles, was einem widerfährt, sei vom lieben Gott so gewollt und
ewiglich. Was natürlich ein Standpunkt ist, den man fast schon dummdreist
nennen kann. Tatsächlich, mein Lieber, ist die Eifel nur deshalb so lange
zurückgeblieben, weil niemand aus der Eifel heraus- und in diese Gegend
hineinkam. Die Leute lernten einfach nichts Neues kennen. Was den Pfarrern nur
recht war, so konnten sie weiter ohne Widerspruch ihre Botschaften verkünden
und ihre Pfründe bewahren.«
    Rodenstock wechselte in Limburg-Nord auf die B49, das
Tempo war nach wie vor hoch.
    Â»Was für ein Geist hier herrschte, kann man ja in zahlreichen
Schriften nachlesen. Genauso wie, was passierte, wenn dann doch mal jemand in
die Welt hinausging. Denk an Das
Weiberdorf von Clara Viebig. Darin haben die Männer das Dorf verlassen, um
im Kohlenpott Geld zu verdienen. Als sie zurückkehrten, waren diese Männer
andere Menschen geworden und das Netz von Zwängen und Ritualen, das das
Eifeldorf bestimmte, zeigte sich in voller Klarheit. Im Ruhrgebiet hatten sie
nämlich Menschen anderen Glaubens getroffen, Menschen, die anders lebten,
Menschen, die andere Erfahrungen gemacht hatten, Menschen, die anders über
Sexualität und Eros dachten. Oder der Philosophieprofessor Johannes Nosbüsch.
Der hat unter dem Titel Es werde Licht zurückgeblickt
auf seine Kindheit in der Eifel. Nosbüsch verweist darauf, dass anlässlich des
Baus des Westwalls in den Jahren 1938/39 zum ersten Mal Menschen in die Eifel
kamen, die mit katholischer Enge überhaupt nichts anfangen konnten. Die auch
nicht bereit waren, das Diktat der katholischen Kirche anzuerkennen. Eine
Episode, die er schildert, geht so: Diese Westwallarbeiter waren in der Regel
bei Bauern einquartiert. Und wenn sie abends von der Arbeit heimkehrten, dann
zogen sie sich die Hemden aus und wuschen sich mit nacktem Oberkörper am
Dorfbrunnen. Sehr zur Empörung der Tugendwächter. Die anständigen katholischen
Frauen des Dorfes holten sich die Genehmigung des Pfarrers ein und beschimpften
diese Arbeiter, sich so zu zeigen sei Sünde und der Herrgott werde sie gewaltig
bestrafen.«
    Â»Und? Kannten die Eifler Seife?«
    Â»Gute Frage. Kannten sie, aber nicht zur Reinigung des
Körpers. Die hygienischen Zustände waren erbärmlich. Dafür glaubten sie eben an
ihre reinen Seelen. Nicht realisierend, dass sie in Abhängigkeit gehalten
wurden. Alles Neue war ausdrücklich vom Teufel. Die Frauen bekamen acht, zehn,
zwölf Kinder. Das war die Regel, nicht die Ausnahme. Warum? Unter anderem, weil
die Pfarrer diesen Frauen einbläuten, es sei ihre Pflicht vor Gott, Kind nach
Kind in die Welt zu setzen.« Rodenstock lachte bitter auf. »Wobei der Beischlaf
an sich natürlich des Teufels war. Die einzige Entschuldigung für Beischlaf war
die Notwendigkeit, ein Kind zu zeugen. Der Dank dafür, dass eine Frau den
schmerzhaften Vorgang der Geburt hinter sich gebracht hatte, war übrigens dann
zunächst, dass sie als unrein galt. Sie musste sich aussegnen lassen.«
    Â»Ja, manches ist verlogen …«
    Â»Verlogen?« Rodenstock hieb wütend auf das Lenkrad. »Das
ist bigott! Da wird in der Nähe von Wittlich eine achtzehnjährige Magd
schwanger. Der Erzeuger ist der Bauer, der dieses Mädchen nötigte, wann immer
er wollte. Allerdings durfte das offiziell natürlich niemand wissen. Jedenfalls
wurde die junge Frau hochschwanger zur Geburt in ein Krankenhaus gebracht. Bei
der Geburt erleidet

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