Eifel-Kreuz
herumzureden, sagte ich: »Ich habe ein Problem mit
euch. Also mit eurer ganzen Clique. Ihr kennt euch seit Sandkastentagen und
besucht, mit Ausnahme von Dickie, dieselbe Schule. Sven war euer Vordenker.
Sven ist erst erschossen und dann gekreuzigt worden. Habt ihr eine Ahnung, wer
das getan haben könnte?«
»Nein, das wissen wir nicht«, antwortete das Mädchen
schnell.
»Keine Ahnung«, sagte Benedikt. »Wie auch? Wir sind eine
ganz normale Clique.«
»Genau das ist mein Problem«, fuhr ich in aller Gemütsruhe
fort. »Ihr seid keine normale Clique. Einer von euch wurde ermordet! Dickie hat
eine junge Frau vor brutalen Zuhältern beschützt. Sven und seine neue Freundin,
Gabriele Sikorski, wurden in der Nähe der polnischen Grenze mit zweihundertzwanzig
Stundenkilometern geblitzt. Auf Svens Vater wurde ein Mordanschlag verübt. Aber
natürlich habt ihr alle keine Ahnung von nichts. Denn ihr seid eine ganz
normale Clique! Ihre Mutter, mein lieber Benedikt, sagte mir vor zwei Minuten,
der Sven sei für die Elternschaft des Gymnasiums ein peinlicher Fall gewesen.
Er sei ein Gotteslästerer, er habe katholische Priester als Märchenerzähler
bezeichnet. Ihre Mutter sagte wörtlich, der Sven habe jetzt die Strafe
bekommen, die er verdiente. Ich hoffe, dass Sie diese Ansicht nicht teilen.«
Benedikt räusperte sich und griff ebenfalls nach dem Tabakpäckchen.
»Meine Eltern denken eben anders über Sven als ich. Wir können ja nicht
irgendetwas sagen, bloà damit wir etwas sagen. Wir wissen nicht, was da abgelaufen
ist, was Sven auÃerhalb der Clique so getrieben hat. Das haben wir auch den
Damen und Herren von der Mordkommission schon gesagt.«
Sieh einer an, da spricht ein Achtzehnjähriger von den
Damen und Herren der Mordkommission. Das ist ein perfektes Versteck in den
Dschungeln des höflichen, strikt konservativen Benehmens.
»Aber, Herrgott noch mal, Sie müssen doch eine Idee haben!
Sie waren befreundet. Ihre Ahnungslosigkeit kauft Ihnen niemand ab!«
Isabell Prömpers wurde unruhig. Sie nahm Anlauf. »Nun schon.
Vielleicht hängt sein Tod ja mit der schwulen Geschichte in der Schule
zusammen. Oder mit dem verschwundenen Geld. Aber wir haben doch keine Ahnung,
wie.«
»Können wir das mal in Ruhe auseinanderpflücken? Können
wir bitte beide Komplexe nacheinander betrachten?« Lieber Himmel, Baumeister,
sei jetzt vorsichtig. Ist das der Durchbruch?
»Zuerst die schwule Geschichte?«, fragte Benedikt, scheinbar
unbeeindruckt.
»Einverstanden«, nickte ich.
»An der Schule gibt es einen schwulen Lehrer. Pater Lorenz.
Der trifft sich seit mindestens einem Jahr mit drei Fünfzehnjährigen, angeblich
um ihnen Nachhilfe zu geben, obwohl alle drei keine bräuchten. Rausgekommen ist
das auf einer Klassenfahrt nach Hamburg. Da ist einem anderen Schüler nachts
plötzlich schlecht geworden und er ist in das Zimmer von dem Lehrer, um sich
Hilfe zu holen. Er kam rein und da waren die drei Mitschüler. Und sie ⦠sie
haben es getan. Das steht fest.«
»Was für Folgen hatte das?«
»Keine!«, sagte Isabell böse. »So was hat doch niemals
Folgen.«
»Und die betroffenen Schüler?«
Benedikt grinste schief. »Pater Rufus hat dafür gesorgt,
dass sie an anderen Schulen angenommen wurden.«
»Aber dieser Pater Lorenz muss doch Stellung bezogen
haben.«
»Hat er ja auch«, nickte Isabell. »Er hat gesagt, die
drei Schüler hätten etwas missverstanden, er sei überhaupt nicht schwul. Und es
sei ja mal wieder typisch â derartige Geschichten zu verbreiten, sei ja
regelrecht Mode geworden. Die Geschichte war aber nicht gelogen, ich habe mit
diesen Schülern gesprochen.«
»Warum haben die sich das eigentlich gefallen lassen? Ist
ihnen gedroht worden? Oder wurde ihnen etwas versprochen für ⦠für ihre
Dienste?«
»Bessere Noten«, sagte Isabell.
»Und was hat das jetzt mit Svens Tod zu tun?«
»Sven hat sich die Aussagen der Schüler schriftlich geben
lassen. Mit Unterschrift. Mehr konnte er nicht mehr tun, dann war er tot.«
»Wo sind denn diese Protokolle jetzt?«
»Die müssen bei Svens Sachen sein«, meinte Isabell.
»Nun kommen wir mal zu den Finanzen. Ihr habt gesagt, da
verschwand Geld. Wie viel war es denn?«
»Drei Millionen«, sagte Benedikt mit unbewegtem Gesicht,
als habe er den
Weitere Kostenlose Bücher