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Eifel-Kreuz

Eifel-Kreuz

Titel: Eifel-Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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wenige Zentimeter
an mein Gesicht heran, befand mich augenscheinlich für harmlos und zog an meinem
rechten Ohr vorbei davon. Aus dem grünen Dickicht vernahm ich das leise Quaken
der Kröte. Dann katapultierte sich der kleine Wels aus den schlammigen Tiefen
nach oben und suchte nach etwas Fressbarem. Augenblicklich verschwand er
wieder, abgetaucht in seine trüben Welten. Ich hatte Glück, wenn ich ihn
zweimal im Sommer zu Gesicht bekam.
    Langsam wurde ich ruhiger.
    Sven und Gabriele. Plötzlich begriff ich, dass wir über
diese Gabriele so gut wie gar nichts wussten. O ja, sie war zweifellos eine
kluge und schöne Frau gewesen, mit scheinbar klaren Lebensvorstellungen und mit
viel Neugier gesegnet. Aber die Umstände von Svens Tod hatten ihr viel Aufmerksamkeit
geraubt. Wer war diese junge Frau wirklich? Was hatte ihren Mörder dazu getrieben,
sie hinzurichten? War sie tatsächlich nur das Opfer unglücklicher Umstände,
zufällig am falschen Platz gewesen?
    Selbst die Neugierde und Geschwätzigkeit ihres Domestiken
Herbert hatte der Frau kein Gesicht geben können. Für mich war sie ein blasses
Wesen.
    Der Tag ging bald zur Neige, im Westen schwamm der Himmel
schon in rosafarbenen Tönen, durchmischt mit lichten blauen Streifen, es würde
gutes Wetter geben.
    Ich holte mir das Telefon in den Garten und rief Hans Sikorski
an.
    Â»Chefsekretariat«, sagte eine weibliche Stimme. »Was kann
ich für Sie tun?«
    Â»Ich war vor zwei, drei Tagen bei Ihrem Chef. Wegen des
Todes seiner Tochter. Ich würde gern noch mal mit ihm reden.«
    Â»Oh«, sagte sie. »Ich frag mal.«
    Dann hörte ich: »Ja, Herr Baumeister?«
    Â»Ich komme mit einer ungewöhnlichen Bitte: Erzählen Sie
mir von Gabriele. Was Ihnen in den Sinn kommt, wie Sie sich erinnern. Macht
nichts, wenn das ganz chaotische Gedanken sind.«
    Â»Sie sind sehr gründlich.«
    Â»Na ja, anders geht es nicht. Wenn Ihnen der Zeitpunkt nicht
passt, ich kann mich auch morgen wieder melden, oder übermorgen.«
    Â»Nein, nein, schon in Ordnung. Auf was sind Sie aus?«
    Â»Ihre Tochter ist mir in dem elenden Szenario zu blass,
sie hat kein Profil. Verstehen Sie, worauf ich hinauswill? Ich würde sie gern
besser kennenlernen.«
    Â»Ja, ja. Der Gekreuzigte ist eben gefragter.« Das klang
leicht bitter.
    Â»Also: Was für ein Mensch war Ihre Tochter?«
    Â»Ich bin der Vater, also sage ich, sie war ein
wunderbarer Mensch.«
    Â»Wenn Sie an Gabriele denken, an was denken Sie?«
    Â»An tausend Szenen.«
    Â»Schildern Sie eine, bitte.«
    Â»Sie muss vier oder fünf gewesen sein. Ich hatte ihr so
ein kleines Schwimmbassin gekauft und im Garten aufstellen lassen. Gabriele
kam, sah das Ding und fing bitterlich an zu weinen. Meine Frau und ich waren
geschockt. ›Was ist denn los?‹, fragte ich. Sagt sie: ›Da waren vier Gänseblümchen
drunter!‹ Das ist so eine Sache.«
    Â»Gab es Reibungspunkte?«
    Â»Natürlich. In Hülle und Fülle. Ein Reibungspunkt war
über Jahre hinweg mein Geld, also mein Wohlstand.« Er machte eine Pause. »Gabi
war in der Pubertät, hatte es schwierig, war eine Träumerin, aber auch eine
Kratzbürste und kam in Kontakt mit Leuten aus der linken Szene. Eines Tages
steht sie in meinem Büro vor mir und schreit: ›Du verdammter Kapitalistenarsch!‹«
    Â»Wie haben Sie reagiert?«
    Â»Zu scharf. Ich habe sie angebrüllt, ich sei zuständig
für mehr als tausend Angestellte und Arbeiter und sie habe keine Ahnung, was
das bedeute, eine solche Verantwortung zu tragen. Sie solle erst mal selbst
lernen, was Arbeit ist.«
    Â»Und dann?«
    Â»Sie schwieg und drehte sich um. Wochen später teilte mir
ein Personaler mit, meine Tochter habe sich um einen Ausbildungsplatz in der
Planungsabteilung beworben. Wie sie mit der Bewerbung umgehen sollten. Meine
Frau und ich waren von den Socken, haben aber beschlossen, das ernst zu nehmen.
Wir haben sie für ein Jahr von der Schule abgemeldet. Gabriele war erst
geschockt und hat dann akzeptiert. Sie erhielt ein Lehrlingsgehalt und
arbeitete ein Jahr in meiner Firma. Als ich ihr dann an irgendeinem Wochenende
ganz gedankenlos eine Taschengelderhöhung anbot, schrie sie, sie werde sich
niemals kaufen lassen, und warf das Geld auf den Schreibtisch. Ende der
Debatte.«
    Â»Waren Sie eigentlich über ihr Liebesleben

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