Eifel-Krieg
Schlüsselbein ist zerschmettert. Haben Sie eine Ahnung, wer auf ihn geschossen haben könnte?«
»Haben wir nicht«, sagte Rodenstock. »Hatte Ihr Mann denn irgendwelche Feinde? Gab es irgendjemanden, der ihn bedrohte?«
»Ich kenne keinen«, sagte sie energisch. »Mein Mann hat auch niemals so etwas geäußert. Aber ich denke, Sie müssen die Geschichte meines Mannes kennenlernen, sonst geraten Sie in die Gefahr, sich nicht zurechtzufinden.«
»Wir bitten darum«, sagte ich.
»Mein Mann ist Apotheker, genau wie ich. Vor etwa fünf Jahren lernte er bei einem Freund die Jagd kennen und wollte ganz einfach Jäger werden. Er ließ sich also ausbilden und bekam den Jagdschein. Ich hatte nicht das Geringste dagegen, wenn auch die Jagd mich persönlich eher kalt lässt. Sie hat blutige Anteile, die ich abstoßend finde. Wir haben drei erwachsene Söhne, die sind aus dem Haus und haben eigene Pläne. Wir besitzen im Umfeld von Trier sechs Apotheken, wir haben eine GmbH gegründet, ich würde sagen, uns geht es gut. Dafür haben wir unser Leben lang hart gearbeitet. Mit dem Jagdschein veränderte sich mein Mann auf eine manchmal erschreckende Art und Weise. Er fing an, mich systematisch zu belügen, was in einer langen Ehe bedrückend ist. Und es ist auch unnötig. Wie auch immer: Mein Mann besorgte sich eine Unterkunft in der Eifel und blieb immer länger dort …«
»Sagen Sie jetzt nicht, dass er ein Quartier auf dem Eulenhof in Bongard bezog«, sagte Rodenstock mit leichter Abscheu in der Stimme.
»Genau das ist aber passiert«, sagte sie. »Und ich stehe vor dem Problem, dass ich morgen dorthin fahren muss, um Sachen, die er dort noch hat, unter anderem auch seine Waffen, abzuholen. Ich würde jemanden fürstlich entlohnen, der mir das abnimmt.«
»Das könnte ich übernehmen«, sagte Rodenstock schnell. »Gratis.«
Sie lächelte leicht und sagte: »Danke.« Dann schloss sie die Augen und konzentrierte sich wieder auf die Geschichte ihres Mannes. »Also, mein Mann blieb immer häufiger in der Eifel. Über Tage hinweg, manchmal eine ganze Woche lang. Okay, dachte ich, er hat es sich verdient, das ist seine Männersache. Was mich als seine Frau ärgerte, war die Tatsache, dass er immer nach seiner Eifeltour nach ganz billigem Shampoo roch und nach noch billigerer Duschcreme. Ich fragte ihn danach, und er versicherte mir, dass er wahrscheinlich nur die billigen Seifen gekauft habe, weil er keine Ahnung hatte. Ich glaubte ihm kein Wort, weil ich ihn kenne, ich bin mit ihm verheiratet. Aber kleinlich bin ich auch nicht, und ich kenne das Leben. Ich glaube also, mein Mann hatte auf diesem Eulenhof so etwas wie ein Kröschen, wie die Kölner das nennen, also eine Geschichte neben mir. Das vergeht, dachte ich, irgendwann wird er es beichten. Er beichtete nicht, stattdessen tat er gefährlich harmlos und schwärmte mir von seiner Bleibe vor. Da sei es schön, da sei er in Männergesellschaft. Da fühle er sich zu Hause. Dann passierte die Sache mit Samtmöschen.« Sie bewegte ihre Arme vor dem Körper, sie versuchte zu lächeln, aber das misslang. Übrig blieb nur ihr Mund, der plötzlich ein Strich war und eine wilde Wut signalisierte. Eine Weile herrschte Schweigen.
»Ich kann Ihren Zorn verstehen«, sagte Rodenstock. »Lassen Sie sich Zeit, wir sind nicht in Eile.«
»Ich weiß gar nicht, ob ich ihn zurückhaben will«, sagte sie plötzlich klagend. »Wie kann sich ein Mann, der sein Leben lang hart gearbeitet hat, so lächerlich machen?« Sie rutschte in dem Sessel hin und her. »Es ist die immer gleiche Geschichte, von der du glaubst, dass sie dich nie berührt. Bis du feststellen musst: Du sitzt mittendrin.«
»Ich nehme an, es gab eine Panne bei Ihrem Mann?«, bemerkte Rodenstock ganz sanft.
»Oh ja, die gab es«, bestätigte sie und nickte heftig. Dann warf sie mit einer schnellen Bewegung einen Sektkelch über die Schulter und hörte zu, wie das Glas auf dem Fußboden zersplitterte. »Das soll Glück bringen«, sagte sie mit ganz hohler Stimme und hatte plötzlich Tränen in den Augen. »Es passierte vor drei Jahren«, begann sie. »Es war an einem Samstagabend im Sommer. Mein Mann war wieder einmal auf der Jagd, und ich sah mir irgendeinen Film im Fernsehen an. Das Telefon klingelt, ich nehme den Anruf entgegen. Da sagt eine Frau: ›Kann ich bitte mal mit Alfie reden?‹ Sie wissen, mein Mann heißt Alfons, und man nennt ihn einfach Alfie. Ich sagte also: ›Alfie ist nicht hier.‹ Daraufhin sagte die
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