Eifel-Krieg
Platz finden konnte.
Es gab allerdings um die Parkplätze auf der A1 in Richtung Eifel immer schon heftige Gerüchte, und mindestens ein Gerücht davon war triste Wirklichkeit: Drogen.
In Richtung Holland war der Weg Teil der sogenannten Heroinroute, die vom Balkan herführte. Umgekehrt gingen chemische Seelenaufheller aus den Drogenküchen nach Osten und Süden: Amphetamine aller Sorten und Qualitäten. Außerdem ging Kokain von West nach Ost. Auf einer beliebigen Straßenkarte Westeuropas konnte man die A1 und die A61 als direkte Verbindungslinien ausmachen. Hinzu kam noch die A4 in Richtung Aachen. Tummelplatz der Drogenkuriere, die schon seit vielen Jahren an schnellen, möglichst gefahrlosen Verbindungen interessiert waren.
Ich war zwanzig Minuten vor der Zeit an Ort und Stelle und brachte mich so zwischen den parkenden Fahrzeugen in Stellung, dass ich von allen Seiten gut zu sehen war – dicht vor dem Toilettenhäuschen. Gaby Drechsler wusste mein Kennzeichen, und ich ihres aus Köln.
In den ersten zehn Minuten kamen etwa zwölf LKW auf den Rastplatz gerollt, die einen Platz suchten und gleich wieder weiterfuhren, weil sie keinen fanden. Es kamen sechs oder sieben PKW, drei blieben trotz der Enge stehen, die Fahrer stiegen aus, vertraten sich die Beine oder rauchten in Ruhe eine Zigarette und lasen in einer Zeitung. Es gab LKW-Fahrer, die Kollegen trafen und miteinander redeten. Es gab Leute, die mit Handtuch, Hygienebeutel und in Plastiklatschen dem Toilettenhäuschen zustrebten und einen ruhigen und freundlichen Eindruck machten. Pause im bundesdeutschen Alltag auf einem Rastplatz an der Autobahn.
Zwei Autos weiter, rechts von mir, stieg eine sehr auffällige, große Frau aus einem schwarzen Audi A6 und schlenderte in aller Gemütsruhe auf einen LKW zu, der dem Nummernschild nach aus Rumänien kam. Die Frau trug unter einer wilden, blonden Mähne eine weiße, leicht durchsichtige Bluse, Hotpants aus Jeansstoff und Flipflops an den Füßen. Sie klopfte an die Fahrertür, die Tür ging auf, sie stieg behände ein, die Tür fiel wieder ins Schloss. Totenstille.
Es wurde klar, dass ich mich bewegen musste, denn aus meinem Auto heraus konnte ich zwar viel sehen und erkennen, aber ich konnte die meisten Nummernschilder nicht lesen, und ich sah im Wesentlichen auf die Heckpartien von etwa fünfzehn LKW, konnte aber nicht einsehen, was die Fahrer taten, ob sie ihren Fernseher laufen ließen, ob sie die Vorhänge zuzogen oder schon zugezogen hatten.
Ich stopfte mir also eine Pfeife, zündete sie an und stieg aus. Ich tat das, was Deutsche auf Rastplätzen gemeinhin tun: Ich lächelte freundlich und unbestimmt in alle Himmelsrichtungen und bewegte mich schlendernd und qualmend zwischen all den Fahrzeugen herum. Ein PKW-Fahrer, der sich locker macht und sein nächstes Leben plant.
Der schwarze A6 hatte ein Kölner Kennzeichen und vorne vor der Fahrertür eine Antenne für CB-Funk aufgesetzt. Natürlich! Die meisten LKW-Fahrer hatten diese Geräte auch. Sie dienten im Allgemeinen dazu, vor Polizeikontrollen zu warnen, die neuesten schmutzigen Witze weiterzugeben oder für das größte Schnitzel auf dem Kontinent östlich von Lyon zu werben und natürlich alle Kollegen vor dem nächsten Stau zu warnen. Der Mann, der hinter dem Steuer saß, war ungefähr vierzig Jahre alt. Es war ein schlanker, sehniger Typ mit einem schmalen Gesicht. Unter einem dunklen Sakko trug er einen beigefarbenen, einfachen Pullover. Man konnte sagen: ein Geschäftsmann von heute, ganz normal.
Es waren genau zwölf Minuten vergangen, als die blonde, große Frau von ihrem Besuch in dem rumänischen LKW zurückkehrte und offensichtlich guter Laune war. Sie riss die Tür des A6 auf und tönte ganz fies aus voller Brust: »Dieser blöde Pimperer, diese Ostnull!« Dann zog sie die Tür hinter sich zu, fummelte mit einer Hand an einer Zigarettenschachtel herum und reichte mit der anderen Hand ein paar Geldscheine an den Mann hinter dem Steuer weiter.
Dann schnurrte zu meiner großen Erleichterung ein Fahrzeug auf den Parkplatz, das das richtige Kennzeichen hatte. Ein uralter Ford Kombi, dessen Farbe wahrscheinlich einmal ein dunkles Grün gewesen war, der jetzt aber aussah wie das Malblatt eines Vierjährigen, der zum ersten Mal mit Wasserfarben um sich werfen darf.
Der Fahrer wollte sich offenkundig gleich neben meinen Wagen stellen, was eigentlich nicht möglich war. Aber er setzte sich dem Platzmangel konstruktiv entgegen und parkte mit
Weitere Kostenlose Bücher