Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eifel-Krieg

Eifel-Krieg

Titel: Eifel-Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
große Portion aus der Flasche ein.
    Ich saß also mit dem Rücken zum Fernseher und starrte auf Gabys Knie.
    »Nimm die Kopfhörer«, sagte sie und drehte sich eine Zigarette.
    Kalli gehorchte.
    »Also, Gaby«, sagte ich vorsichtig. »Ich muss erst einmal etwas loswerden. Wahrscheinlich lest ihr keine Zeitung und hört auch nicht die Nachrichten. Ritchie ist nämlich tot.«
    »Wie bitte?«, fragte sie erschreckt.
    »Jemand hat ihn im Wald in der Eifel erschossen. Deswegen muss ich mit dir sprechen. Wie bist du an Ritchie gekommen? Hast du ihn gesucht, oder hat er dich angesprochen?«
    »Ach Gott, das tut mir aber leid. Also, er hat ein Casting gemacht«, sagte sie. »Das lief unten in einer der Kneipen in der Altstadt. Er hatte so’n Nebenzimmer gemietet, man konnte da reingehen, und er hat dich beguckt. Bei mir hat er gesagt: ›Das ist sehr gutes Material.‹ Na, meine Figur meinte er.«
    Richard Voigt hatte keine Wunder an ihr vollbracht. Er hatte ihren Busen vergrößert, er hatte ihr an den Oberschenkeln und am Hintern Fett entnommen. Aber er hatte ihr Gesicht nicht berührt. Und das sah jetzt erschreckend alt aus, wie sechzig Jahre. Gaby war durch den Angriff auf dem Rastplatz total genervt und sehr müde, und sie hatte dunkle Ringe unter den Augen. Sie war eine zerschlagene Frau mit lebenslangen schlechten Erfahrungen, ihr Gesicht war hager und gezeichnet von Alkohol und sämtlichen vorstellbaren Prüfungen. Eines ihrer Hauptprobleme hieß wohl Kalli.
    Ich durfte sie nicht scheuchen, ich musste ihr ein wenig Ruhe geben, sie sollte nicht misstrauisch sein. »Lass dir Zeit«, sagte ich deshalb. »Wir müssen uns nicht beeilen. Und hier ist erst einmal dein Geld.« Ich legte den Hundert-Euro-Schein behutsam auf ihr rechtes Knie.
    »Ja«, sagte sie unbestimmt, nahm das Geld und legte es auf eines der Kopfkissen. »Was is’n da passiert? Weiß man das schon?«
    »Man weiß noch gar nichts«, antwortete ich. »Nur dass er erschossen wurde – von jemandem, der das gut gekonnt haben muss, das Schießen. Wann war denn dieses Casting in der Kneipe?«
    »Das ist jetzt fast drei Jahre her. Und ich bin ja auch mit seiner Arbeit zufrieden. Na, er ist ja ein guter Arzt.«
    »Ohne Zweifel«, bemerkte ich. »Aber darum geht es jetzt gar nicht. Wie sah denn dein Vertrag mit Ritchie aus?«
    »Wir hatten keinen Vertrag. Alles mit Handschlag. Er sagte: ›Ich zahle alles, du kriegst ein Bett bei mir, ich behandele dich. Alles kostenlos. Dann darf ich meine Arbeit an dir ein paarmal rumzeigen.‹ Und das war es dann schon.«
    »Und das Rumzeigen war dann auch in der Eifel, oder?«
    »Ja, genau. Obwohl mein Baby ja dagegen war.«
    »Dein Baby?«
    »Na, Wolle. Das ist mein Sohn. Der is jetzt vierundzwanzig, und wir sehen uns ziemlich oft. Aber meistens hat er keine Zeit, weil er arbeiten muss.«
    Über dem Bett hing ein großes Bild an der Wand, ein Druck, sicher zwei mal zwei Meter groß. Rechts darauf saß ein Krieger mit rotem Bart und in voller Rüstung auf einem Scherensessel. Ihm zu Füßen eine junge, grellblonde Frau, ebenfalls in Rüstung und mit einem gewaltigen Schwert an der Seite. Die Frau hatte Riesenbrüste, die nur mühsam vom Metall verdeckt waren. Sie kniete vor dem Mann, als wollte sie ihn anbeten. Und zwischen den beiden, im Hintergrund, ein Drache mit einem furchterregenden Gebiss und strahlend gelben Augen, ein richtig liebes Tierchen, auch in voller Rüstung. Das Ganze waberte in einem mystischen blauen Nebel.
    Gaby folgte meinem Blick und sagte leicht spöttisch: »Kalli mag so was.«
    »Also gut, du hast bei dem Casting gewonnen, er hat an dir herumoperiert. Wie oft hat er dich vorgezeigt? Und wo?«
    »Hm, drei-, viermal.«
    »Einmal in der Eifel, das wissen wir. Was lief da ab? Und langsam, wir haben ja Zeit. Er hat dich in seinem Auto mitgenommen, nicht wahr?«
    »Ja, ja. Er hat ja einen Porsche, unsereiner fährt ja selten mit so was. Das war ein Bauernhof, aber ich weiß nicht mehr, wie der heißt.«
    »Fand das abends statt?«
    »Ja. Aber wir waren schon mittags da. Zum Kaffee. Es gab Kuchen und so, alles richtig freundlich. Und Ritchie hat mich vorgestellt und gesagt, wir seien Freunde und so. Er sagte: ›Meine Vorzeigepuppe.‹« Sie lächelte in der Erinnerung.
    »Sind denn noch Leute in deiner Erinnerung? Kannst du dich an bestimmte Leute noch erinnern?«
    »Eigentlich nicht. Außer an Weidi. Der war so ein Großer mit Bart. Der hatte da das Sagen, der bestimmte, was ablief. Na, und dann noch

Weitere Kostenlose Bücher