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Eifel-Krieg

Eifel-Krieg

Titel: Eifel-Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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überzeugend.
    »Ich habe immer Deutsch geübt«, sagte Tante Liene sehr laut. »Ich wollte die furchtbare Mörder beschimpfen, die verstehen nur deutsch. Ich habe geübt. Mit Büchern.«
    »Du kriegst jetzt ein Glas Sekt«, sagte Emma.
    »Gut, dann bin ich betrunken«, lachte Tante Liene. Doch sie wurde ganz unvermittelt ernst: »Er kommt zurück«, sagte sie. »Ich weiß das.«
    Emma ging zu ihr und umarmte sie. »Na sicher«, sagte sie. »Na sicher.«
    »Ich muss weiter, Leute. Wenn irgendetwas ist, bin ich erreichbar. Und du solltest in diesem Zustand kein Auto fahren, Emma.«
    »Ja«, murmelte sie etwas kläglich.
    Unterwegs nach Hause rief ich Tessa an und erzählte ihr von Rodenstocks plötzlicher Hirnblutung. »Im Augenblick können sie gar nichts tun«, schloss ich meinen Bericht, »nur abwarten.«
    Tessa atmete schwer, dann fragte sie: »Und wie geht es dir?«
    Ich antwortete nicht. Stattdessen fragte ich: »Kannst du mir eine Liste der Bewohner des Eulenhofs schicken? Ich brauche eine Liste, aus der hervorgeht, welche dieser Leute körperlich fit sind und angreifen könnten. Gibt es so etwas?«
    »Ja, so etwas habe ich. Ich lege sie dir aufs Fax.« Nach einer kurzen Pause setzte sie hinzu: »Baumeister, warum fragst du nach möglichen Angreifern? Du willst doch nicht etwa wieder auf den Eulenhof? Wir hatten das doch geklärt!« Ihre Stimme wurde höher, nervöser.
    »Will ich nicht«, beruhigte ich sie. »Versprochen. Gibt es dort, außer Veit Glaubrecht, auch Vorbestrafte?«
    »Steht alles auf der Liste.«

    Mein Zuhause kam mir kalt und abweisend vor. Im Fernsehen beschäftigten sich nahezu alle Sender mit dem sogenannten Jahrhundert-Hochwasser im deutschen Osten. Darüber hinaus nur das übliche Hickhack in der Politik, bei dem alle mitmachten – nur unsere Kanzlerin nicht. Sie besuchte stattdessen das Katastrophengebiet, wo sie eine sehr ernsthafte Miene zeigte.
    Dann rief Bodo Lippmann an. Er klang verunsichert, als er sagte: »Jung, hör mal du, ich hatte einen merkwürdigen Besuch. Da kam ein Mann auf den Hof. Ganz normaler bürgerlicher Typ. So um die fünfundvierzig. Hat mich gefragt, was ich über den Eulenhof weiß.«
    »Was hast du geantwortet?«, fragte ich.
    »Erst mal nichts. Ich habe gesagt, ich weiß nicht viel. Ich habe gesagt, ich hätte den verprügelten Fotografen erlebt und dass mir das reicht. Außerdem, habe ich gesagt, halte ich mich da raus. Ständig über Nachbarn zu reden, die ich eigentlich nicht kenne, wäre auch nicht schön, hab ich gesagt.«
    »Hat er gesagt, wie er heißt und woher er kommt?«
    »Er hat mir eine Visitenkarte hiergelassen. Da steht Stefan Zorn drauf. Er sagte, er käme vom Innenministerium in Mainz, und er wollte sich mal umhören. Er hätte gehört, die vom Eulenhof wären Neonazis.«
    »Innenministerium? Hör mal, da würde ich aber vorsichtig sein.«
    »Ich bin ja vorsichtig«, sagte er mit einem Lachen. »Und weißt du, nach wem er mich besonders fragte?«
    »Nein, aber du wirst es mir sagen.«
    »Nach Paul Henrici, genannt Blue. Ja, habe ich gesagt, der wurde ja erschossen. Das hätte er auch gehört, sagte er. Ob denn Blue jemals auf meinem Hof gewesen sei, wollte er wissen. Nein, habe ich gesagt. Ob ich denn wisse, ob Blue einen Freund auf dem Eulenhof gehabt hat. Ich hab gesagt: ›Das ist aber eine merkwürdige Frage! Wenn der niemals auf meinem Hof war, wie soll ich wissen, ob der einen Freund auf dem Eulenhof gehabt hat. Ich habe ja nicht einmal gewusst, wie dieser Blue ausgesehen hat!‹ Wäre ja nur so eine Frage gewesen, meinte der dann.«
    »Das ist wirklich komisch«, sagte ich. »Steht auf der Visitenkarte eine private Adresse?«
    »Nein, keine. Da steht nur
Stefan Zorn, Berater
. Und eine Handynummer. Aber er kommt morgen noch mal wieder, hat hier noch zu tun, hat er gesagt. Nachmittags gegen vier. Kannst du kommen?«
    »Das tue ich, Bodo, auf jeden Fall. Danke für die Nachricht! Bis dann.« Ich legte auf.
    »Sieh an, das ist der erste Stefan in dem Fall«, sagte ich laut in die Stille meines Hauses. »Stefan, der Berater von Blue. Das wäre ja zu schön.«
    Diese Geschichten, die in der Eifel spielten und immer mit dem Elend von Menschen zu tun hatten, machten atemlos. Man hielt einen Moment inne, weil zwei oder drei Stunden nichts zu tun war, und war verstört, weil man nicht weiterrennen musste, weil da eine Lücke war, weil man eigentlich Pause hätte machen können, um irgendetwas in Ruhe zu überlegen oder nach einem Buch zu

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