Eifel-Krieg
wenig, dass niemand da war, der mir einen guten Morgen wünschte. Wieso, zum Teufel, war ich für die Menschen in meiner Umgebung so kompliziert?
In der Zwischenzeit war ein Fax von Tessa angekommen. Die Liste der Leute, die auf dem Eulenhof wohnten. Sie war sehr lang. Ich war zu müde, sie zu lesen, ich ging ins Bett, und es dauerte nicht lange, bis ich einschlief.
Ich hatte irgendetwas Bedrückendes geträumt, aber ich wusste nicht mehr, was genau das war, als ich gegen acht Uhr aufwachte. Ich stand auf und duschte lange, dann machte ich mich an Tessas Liste der Menschen auf dem Eulenhof.
Der Eintrag hinter Ulrich Hahn lautete:
Vorbestraft wegen gefährlicher Körperverletzung im Alter von 19 Jahren. Vorbestraft wegen Betrugs und Urkundenfälschung im Alter von 22 Jahren. Danach keine bekannten Strafen mehr. Angeblich Chef der Unternehmung Eulenhof, führt die Bezeichnung Geschäftsführer. Scheint vorgeschoben. Der tatsächliche Chef ist der Jurist und Immobilienmakler Weidemann. (Siehe Weidemann: Weidemann vor vier Jahren vorbestraft wegen übler Nachrede, Beleidigung, ein Jahr Haft auf Bewährung. Ständige beratende Funktion in der NPD bis hinauf in die bundesdeutsche Parteispitze.)
Bei Veit Glaubrecht sah die Liste düster aus:
28 Jahre alt. Vorbestraft. Jugendstrafe im Alter von 16 Jahren wegen Körperverletzung. Vorbestraft wegen Körperverletzung im Alter von 17, 18, 20 Jahren, davon zwei Fälle bei Frauen aus dem Milieu. Vorbestraft wegen gefährlicher Körperverletzung im Alter von 26 Jahren. Er nahm billigend in Kauf, dass das Opfer hätte sterben können. Drei Jahre Gefängnis, abgesessen. Vorbestraft wegen Bandenkriminalität, Einbruch, Schwerem Einbruch zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Gilt als extrem jähzornig. Wird als Marketingchef des Eulenhofs ausgewiesen, wahrscheinlich eine Tarnung. Keinerlei Unterlagen zu diesem Beruf vorhanden. Interne Einschätzung: sehr gefährlich
.
Dann kam Gerhard Wotan Hahn, der Bruder von Ulrich Hahn:
26 Jahre. Keine Vorstrafen, nicht auffällig geworden. Realschulabschluss in Dortmund. Seitdem auf dem Eulenhof in allen möglichen Funktionen, aber nicht leitend. Hilfsfunktion als Ober im Restaurant, als Leiter der Gästebetreuung, zuständig für die Sauberkeit der Anlage, sehr häufig Großeinkauf bei Metro in Köln, auch als Zimmerkellner tätig. Wird nachweisbar über die offizielle Angestelltenliste des Hotelbetriebes bezahlt. Sehr zurückhaltend, bisher nicht öffentlich aufgefallen
.
Das Fax listete Blue mit den folgenden Angaben:
Paul Henrici (20), genannt Blue. Erschossen durch unbekannt. Tätig in vergleichbaren Positionen wie Gerhard Wotan Hahn. Scheinen befreundet gewesen zu sein. Betrieb des Eulenhofes gibt an, Blue sei seit etwa zwei Jahren überhaupt nicht mehr für den Hof tätig gewesen. Es gibt widersprechende Aussagen (siehe Ana v. Kolff, gleiche Liste). Hierfür keine Nachweise. Wahrscheinlich monatlich in bar bezahlt durch Weidemann, (s.u.)
.
Bei Weidi wurden Tessas Aufzeichnungen höchst interessant:
Hagen Weidemann (64), genannt Weidi, Rechtsanwalt, geboren in Hamminkeln, Niederrhein. Ledig. Gibt Eulenhof als ersten Wohnsitz an, andere Wohnsitze nicht bekannt. Gilt als der mächtigste Mann auf dem Eulenhof, als eigentlicher Chef. Wahrscheinlich machte er es erst möglich, den Hof zu kaufen, auszubauen und zu betreiben. (Familie Hahn besaß keinerlei Barmittel und hatte keinen Zugang zu Gewerbekrediten!) Frühe Konzentration auf Immobilienhandel und -besitz. Enge Anlehnung an rechte Kreise, an NPD, an »Thüringer Heimatschutz«, an »Kameradschaft Aachen-Land«, an rechte Studentenvereinigungen (Burschenschaften) in Dresden, Weimar, Jena u.a. Direkter Unterstützer ultrarechter Kreise. Sehr schwer zu fassen, weicht aus, redet Anwaltsdeutsch. Einer seiner markantesten Sätze lautet: »Wir sind immer noch ungeheuer stolz auf den deutschen Landser, der im Zweiten Weltkrieg jeden Tag gegen jeden Feind Heldenhaftes leistete.« Interne Einschätzung: Sehr gefährlich. Bei insgesamt drei Steuerprüfungen keine Vorwürfe oder Unsicherheiten seitens der Finanzbehörden. Weitergegeben an Staatsanwalt für Wirtschaftsvergehen mit der Bitte um zusätzliche Nachforschungen.«
Da hockte ich und begriff die Unsicherheiten, in denen Tessa leben und arbeiten musste. Was in dem Durcheinander war zu beweisen? Wie konnte sie vorgehen? Was war eine Straftat? Wie war sie beweisbar? Was sollte man denn tun mit einem Jugendlichen, der von seinem Lehrer
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