Eifel-Krieg
»Du traust mir einfach nicht, ich weiß alle möglichen Sachen nicht.«
Kevin antwortete leise: »Das ist doch Quatsch.«
»Ich schicke den Film zur Staatsanwaltschaft. Ist das okay?«
»Ja, klar«, sagte der Junge und nickte heftig.
»Dann habe ich noch eine Frage in Bezug auf die Armbruste. Was sind das für Geräte?«
»Modernste Technik, modernste Materialien. Die haben einen Druck von fünfzig Kilopond und mehr. Mit denen schießt du Aluminiumbolzen glatt durch jede Tür. Und du bist auf dreißig bis vierzig Meter zielsicher. Die Dinger sind lautlos und tödlich.«
»Habt ihr damit geschossen?«
»Natürlich. Also, da kriegt man richtig Angst. Wir haben aus zwanzig Metern auf einen Autoreifen geschossen. Glatt durchschlagen. Veit hat immer gesagt: ›Wir müssen lautlos sein wie die Kobras.‹ Und so lief das auch.«
»Ich weiß noch nicht, was ich mir unter einem Geländemarsch über vierzig Kilometer vorstellen soll.«
»Du kriegst ein GPS-Gerät, mit dem du immer deinen Standpunkt bestimmen kannst. Es ist egal, ob es Nacht ist oder Tag. Dann weißt du, du musst von Bongard über Hillesheim und dann runter ins Ahrtal gehen. Vom Ahrtal aus kannst du Stichtouren machen. Also in ein Dorf oder an einen Aussichtspunkt. Zum Beispiel Blankenheim. Dann gehst du aus dem Ahrtal heraus zum Nürburgring. Von da gehst du wieder über Kelberg zurück. Du hast vier Schokoriegel, das Wasser musst du dir suchen. Du darfst mit keinem Menschen reden, und es ist das Beste, wenn keiner dich sieht. Also gehst du immer durch Wälder, du kreuzt höchstens mal Weideflächen oder Anbaugebiete. Und es kann sein, dass Glaubrecht dir eine Falle stellt und dich angreift. Bei mir hat er das zweimal getan. Das war ziemlich schlimm.«
»Wie oft gab es solche Märsche?«
»Bei mir sechs Mal.«
»Und was haben sie dir zum Abschied gesagt?«
»Dass ich alles vergessen soll, oder ich bin tot.«
»Wer hat dir das gesagt?«
»Der Chef. Weidemann.«
»Und er hat wirklich gesagt ›oder du bist tot‹?«
»Ja«, sagte Kevin und hielt meinem Blick stand.
»Dann wollen wir hier erst einmal Schluss machen. Ein Beamter wird sich mit dir in Verbindung setzen. Aber so, dass keiner das merkt. Und wenn ich noch Fragen habe, rufe ich an. Und hier ist meine Visitenkarte mit den Nummern. Du kannst mich jederzeit anrufen. Auch dann, wenn du nicht weißt, was du tun sollst, und wenn du eine Entscheidung treffen musst. Und kein Wort zu niemandem mehr. Auch nicht zu deinen Eltern. Das ist viel zu gefährlich für alle. Auch dieses Treffen hat nicht stattgefunden. Kannst du das verstehen?«
»Ja«, nickte er.
Dreißig Minuten nach Mitternacht röhrte ein schweres Motorrad auf meinen Hof. Die vermummte Gestalt darauf erklärte, er sei Mitglied der Mordkommission und im Auftrag von Frau Doktor Tessa Brokmann gekommen, um eine Unterlage abzuholen. Er zeigte mir seinen Dienstausweis. Und er gab mir ein Briefkuvert.
Ich hatte die Disc in ein großes, steifes Kuvert eingepackt, das ich ihm in die Hand drückte, und das er in einer Satteltasche verschwinden ließ.
In dem Kuvert lag ein Zettel:
Ich liebe dich! T
. stand da. In der Mitte der Nacht war das eine sehr schöne Botschaft.
18. Kapitel
Aus den Vernehmungen konnten wir das Ereignis folgendermaßen rekonstruieren: Doktor Hagen Weidemann, 64 Jahre alt, starb mittags gegen 12.15 Uhr auf dem Parkplatz der Kreissparkasse in Daun. Es waren mindestens acht Zeugen dabei, die entweder gerade angekommen waren und aus ihren Autos stiegen oder die dabei waren, in ihre Vehikel einzusteigen und wieder loszufahren.
Niemand registrierte auf Anhieb, dass irgendetwas nicht stimmte, niemand hörte den Schuss. Eine ältere Frau, die gerade am Automaten Geld gezogen hatte und wieder auf den Hof zwischen
Forum
und Bank trat, sah den Anwalt neben seinem Range Rover. Sie sagte kurze Zeit später zittrig und totenblass wörtlich: »Und plötzlich platzte der Kopf des Mannes! Also, ich weiß nicht.« Sie konnte nicht einmal sagen, ob der Mann ankam oder wieder wegfahren wollte, ob er ein- oder ausstieg. Später musste ein Arzt der Frau ein Beruhigungsmittel spritzen.
Ein junger Angestellter der Bank, der aus einem benachbarten Geschäft kam und wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehrte, sah den Mann zusammenbrechen, rannte dorthin, sah den zerschmetterten Kopf, rannte weiter in die Bank und rief laut in die Schalterhalle hinein: »Da ist jemand an seinem Auto erschossen worden!«
Die Bank löste einen
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