Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eifel-Krieg

Eifel-Krieg

Titel: Eifel-Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
starten. Wir wollen mit ihnen noch einmal ein Gespräch führen. Aber ich glaube selbst nicht so recht daran, dass wir da weiterkommen. Warum sollten sie sich auf uns einlassen? Warum jetzt, wo der wichtigste Mann gerade getötet wurde? Die haben jetzt wirklich andere Sorgen. Glaubst du, die Serie geht weiter?«
    »Ich weiß nicht, was ich glaube. Haben wir eine Ahnung, wie das Geschoss bei Weidemann aussah?«
    »Der Mediziner sagte, es sei die gleiche Wirkung gewesen wie bei allen anderen Opfern vorher. Das Geschoss ist beim Aufprall zerrissen. Also auch derselbe Täter, so sieht es zumindest aus. Ist es von besonderer Bedeutung, dass ausgerechnet der Oberboss getötet wurde? Hört es jetzt auf? Ist jetzt der Eulenhof am Ende, geben sie auf?«
    »Warum sollten sie aufgeben? Sie brauchen doch nur ein Jahr lang im Stillen leben, nicht auffallen, das Geschäft lautlos und emsig weiterführen. Dann werden sie aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwinden und können wieder Treffen mit den Burschenschaftern veranstalten und die erste Strophe des Deutschlandliedes singen.«
    »Danke übrigens für diesen Lehrfilm mit Glaubrecht. Das war erstklassige Arbeit.«
    »Das war überhaupt keine Arbeit, da habe ich nur abgesahnt.«
    »Du bist gereizt, nicht wahr?«
    »Ja, bin ich. Die ganze Sache geht mir auf die Eier. Vier Tote, ein Schwerverletzter, zwei Prügelopfer. Das ist ein bisschen viel für die brave deutsche Provinz. Also dann, ich seh dich zu Hause bei mir. Gibst du eine Pressekonferenz?«
    »Muss ich wohl. Das ist die Regel. Morgen früh, denke ich. Aber ich habe wenig mitzuteilen.«
    »Bis später. Möchtest du etwas Spezielles essen oder trinken?«
    »Nein danke, einfach das, was im Haus ist. Ich habe sowieso keinen Hunger.«
    Ich packte meinen Kamerakoffer und verschwand.
    Mir stand dieser reiche, mächtige Mann vor Augen, den ich nie lebend erlebt hatte: Fast zwei Meter groß, schlank, silbernes Haar, höflich und gelassen, der absolute Herrscher über ein ehemaliges Bauerngehöft, auf dem Neonazis lebten und arbeiteten. Er war Zeit seines Lebens eng gebunden an die NPD, verwoben mit politischen Freunden überall auf der Welt. Vielleicht hatte er in seinem Leben von morgens bis abends Netze installiert, Verbindungen aufgebaut, an die Zukunft gedacht. Mit Sicherheit ein großer Verehrer Hitlers und seiner Adepten. Angetrieben von der Idee, Elite zu sein und Elite zu schaffen. Dann die erschreckende Banalität des Todes: Mit präparierter Hochgeschwindigkeitsmunition erschossen auf kurze Distanz am helllichten Tag – mitten in einer kleinen, sauberen Stadt. Das Gesicht zerplatzt in einem Meer von Blut. Nicht einmal zu Boden fallen kann er. Das einzige lebendige Zeugnis, das ich von ihm hatte, war die Aussage einer Prostituierten: »Dann habe ich ihn geritten und musste ihn peitschen.« Und: »… das passiert mit einer deutschen Frau, die keine Selbstachtung hat.«
    Ausgelöscht.
    Ich fuhr heim, ich aß ein Stück Brot und trank dazu einen Earl Grey. Dann wanderte ich durch meinen kleinen Garten, und eine der Amseln landete so dicht bei mir, dass sie auch meine Schultern hätte ansteuern können. Es war still, die Sonne schien, im Süden über der Mosel türmten sich Wolken. Vielleicht würde es gegen Abend ein Gewitter geben.
    Ich telefonierte mit der Redaktion in Hamburg und erklärte, ich würde eine vorläufige Geschichte in der kommenden Nacht schreiben. Es habe einen weiteren Toten gegeben, diesmal sei es der Chef gewesen, alles sei nach wie vor fraglich und nicht entschieden. Die Frau, mit der ich sprach, sagte alle zehn Sekunden »ja, ja« oder »nein, nein«, und sie hörte garantiert nicht zu und hatte auch keine Ahnung von dem Thema. Redaktionen sind manchmal so.
    Dann rief Tessa an und erklärte atemlos: »Ich bin jetzt auf dem Parkplatz vor dem Eulenhof. Ulrich Hahn ist verschwunden. Glaubrecht behauptet, keine Ahnung davon zu haben, wohin er gefahren ist. Hahn habe gesagt, er müsse kurz etwas erledigen. Ja, die Nachricht vom Tod Weidemanns sei inzwischen bekannt, aber man habe nicht die geringste Ahnung, was da abgelaufen sein könnte. Es sei alles ganz furchtbar, und Weidemann sei sowieso unersetzlich. Ulrich Hahn hätte darüber hinaus verfügt, dass der Eulenhof ab sofort für drei Wochen geschlossen sei. Allen Gästen, die sich angekündigt hatten, habe er inzwischen persönlich abgesagt, so Glaubrecht. Alle Bediensteten auf dem Hof seien für die drei Wochen freigestellt, bei voller

Weitere Kostenlose Bücher