Eifel-Liebe
die eher alles weiter vernebeln als klären, und einen vermutlichen Profikiller. Meine Frau verlangt Entscheidungen und ich weiß nicht, womit ich anfangen soll.«
»Hat deine Frau einen anderen Mann?«
»Sie sagt, sie hat keinen. Und wenn sie das sagt, stimmt das. Jedenfalls war ich bis heute Morgen dieser Ansicht. Im Moment weiß ich gar nichts mehr. Ich müsste eigentlich … eigentlich müsste ich mich krankschreiben lassen und Hilfe beim Landeskriminalamt anfordern …«
»Es ist aber nicht deine Art zu flüchten.«
Er grinste schief. »Nein, das stimmt. Ich bin ein Held!« Das Grinsen wurde noch schiefer. »Kann ich mich bei dir rasieren?«
»Klar. Geh einfach ins Bad und such dir zusammen, was du brauchst. Handtücher liegen im Regal.«
Nach zwanzig Minuten kam Kischkewitz wieder herunter, sah besser aus, hatte sich wohl ein wenig gefangen. Er verabschiedete sich: »Wünsch mir eine Gießkanne Glück. Ich kann es brauchen.«
Als er die Dorfstraße hinunterbrauste, gab er mächtig Gas. Das war gut so, das war immerhin eine Kampfansage.
Wenn die größere Hälfte des Tages vertan worden und nur ein kläglicher Rest übrig geblieben ist, gibt es zwei Möglichkeiten: Du kümmerst dich um den Rest und tust so, als sei alles in Ordnung. Oder du machst aus dem Rest ein Nichts und gehst wieder ins Bett, als hätte der Tag, aus welchen Gründen auch immer, gar nicht stattgefunden. Ich entschied mich für die zweite Möglichkeit und freute mich darauf, ein Buch zu lesen. Ich hatte in den vergangenen Wochen sechs Bücher gekauft, jedes mit dem mir selbst gegebenen Versprechen, sofort ins Bett zu gehen und die Tür zur Welt abzuschließen. Es war in keinem Fall gelungen.
Ich nahm mir Ralf Kramps schöne, hundsgemeine Kurzgeschichten vor, bei denen man immer zu lachen beginnt, um anschließend leicht panisch unters Bett zu gucken, ob da auch keiner lauert.
Doch auch heute wurde nichts mit Lesen, Oma Ohler stand an.
Wie nicht anders zu erwarten, begann sie mit einem hintergründigen Schalmeienklang: »Es tut mir Leid, dass ich störe.« Und sie fuhr fort, wie Oma Ohler es wahrscheinlich immer in ihrem Leben getan hatte: »Ich habe ja nun dem Herrn von der Kripo von der Clique erzählt und er sagt auch, dass er findet, dass da nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Ich hatte Recht.«
Diesmal machte sie mich ernsthaft wütend.
»Sie hatten nicht Recht!«, fauchte ich. »Der Mann hat mir gesagt, dass die Clique eine stinknormale Clique ist. Leute, die Monopoly spielen, Bier saufen und sich schmutzige Witze erzählen. Leute, die stundenlang über einen Tag an der Playa del Sol reden können und sich dabei nicht mal komisch vorkommen. Wir leben in einer Spaßgesellschaft, meine Liebe. Ihre Clique, Oma Ohler, ist mit ziemlicher Sicherheit harmloser als mein Bettvorleger.«
»So!« Das kam daher wie ein blutgieriges Schlachtermesser. »Und wieso dann das mit der Elvira Klein?«
»Wollen Sie behaupten, das war jemand aus der Clique?«
»Na ja, würde doch passen, oder?« Ihre Stimme trillerte opernreif. Das war mehr als frech.
Plötzlich fragte ich mich, was sie wohl sagen würde, wenn ich ihr berichtete, dass Kinsis Tod kein Selbstmord, sondern ein Mord war.
Dann hatte ich eine bessere Idee.
»Sie machen dauernd Andeutungen über diese Clique. Aber nie werden Sie konkret: Die Clique hat dies gemacht oder das getan. Nur dunkle Andeutungen, sonst nichts. Ich sage Ihnen: Das ist gefährlich. Jemand könnte leicht auf die Idee kommen, Sie wegen Verleumdung anzuzeigen. Sie haben ein verdammt loses Mundwerk, Oma Ohler. Daher tun wir jetzt mal Butter bei die Fische. Ich komme rüber zu Ihnen und Sie erklären mir jedes einzelne Mitglied dieser Clique. Wie die einzelnen Figuren zusammenhängen, was sie tun und was nicht, ob Abhängigkeiten bestehen und so weiter und so fort. Einverstanden?«
»Das habe ich aber doch dem Kriminaler schon erzählt«, krächzte sie.
»Ich will es selbst hören«, sagte ich schroff. »Sie warten, bis ich bei Ihnen bin.«
Ich beendete das Telefonat, fand mich schön genug, suchte einige Filzschreiber und einen Bogen Verpackungspapier zusammen und machte mich auf den Weg.
Unterwegs rief ich Mattelt in der Redaktion in Hamburg noch mal an, um zu hören, ob er sich entschieden hatte.
Er war sauer. »Ich habe versucht, dich anzurufen, das funktionierte nicht. Ich will die Geschichte optionieren, verdammt noch mal! In den nächsten vier Ausgaben habe ich sie jeweils
Weitere Kostenlose Bücher