Eifel-Müll
Das, was mich nachdenklich macht, ist die Sache mit dem Brillanten im Bauchnabel. Der ist ihr doch förmlich rausgerissen worden. Wenn ich bloß daran denke, wird mir schon schlecht. Der Täter muss doch irgendeine Beziehung zu diesem Stein gehabt haben, oder?«
»Ja, das muss er.«
»Sehen Sie, Sie meinen das auch. Wenn der Mörder sich den Stein zurückgeholt hat, weil er maßlos enttäuscht von ihr war, kann der Mörder nur Sven Hardbeck heißen. Es kann aber auch jemand gewesen sein, der wusste, von wem dieser Stein war, und der gleichzeitig keine Chance bei ihr hatte. Oder?«
»Sie könnten Recht haben«, sagte ich. »Leider muss ich nun weiter. Auf Wiedersehen und grüßen Sie Ihren Mann!«
Es gibt Menschen, die mir Unbehagen bereiten. Die Frau des Detlev Fiedler war so ein Mensch. Ich hatte das Gefühl, sie tanzte auf dünnem Eis, war nicht wahrhaftig, schwamm peinlich verkrampft auf der Oberfläche des Lebens und leugnete die Tiefe unter ihr, hatte panische Angst vor dem Knäuel an Gefühlen, das in ihr war. Sie gehörte zu denen, die ständig beten: Du musst nur positiv denken und schon flutscht das Leben!
Florian Lampert? Wie weit musste ich in die Vergangenheit zurückgehen, um Zusammenhänge zu begreifen? Sollte ich Zeit darauf verwenden, einen weiteren frühen Zeugen aufzusuchen, nur um festzustellen, dass es erneut eine Sackgasse war? Was konnte Florian Lampert erzählen? Was würde er erzählen?
Ich rief im Hotel Panorama an und ließ mich mit Tina Colin verbinden. Ich motzte sie an: »Warum hast du mir die Geschichte zwischen Natalie und dem Polen Bronski verschwiegen?«
»Es gibt keine Geschichte zwischen meiner Natalie und Bronski«, antwortete sie tonlos. »Na klar, die beiden waren sich sympathisch, aber mehr war nicht.«
»Das ist nicht wahr«, sagte ich scharf. »Du lügst. Sie haben miteinander geschlafen. Sie mochten sich sehr.«
Sie schwieg einen Moment. »Das war nur eine wilde romantische Gefühlsduselei. Bronski hat nicht unser Niveau. Er ist ein Prolo und bleibt ein Prolo. Meine Natalie war ein anderes Kaliber.«
»Wann hörst du endlich auf, dich zu bescheißen? Das ist ja unerträglich!« Ich war wütend und hilflos. »Ich kann inzwischen nicht einmal mehr glauben, dass Natalie am Tag ihres Todes dein Haus um elf Uhr verlassen hat. Zwischen achtzehn und neunzehn Uhr hat Bronski sie angerufen. Da war sie auf dem Weg nach Maria Laach und sagte, sie wolle mit Hans Becker reden. Du kannst mir doch nicht erzählen, dass du keine Ahnung hast, wo sie in den rund sieben Stunden dazwischen war. Also, wo war sie?«
»Ich weiß das nicht genau.«
»Ich komme zu dir«, sagte ich drohend.
Ich unterbrach die Verbindung und machte mich auf den Weg den Berg hinauf in den stillen Teil der Stadt. Es tat gut, zu Fuß zu gehen, hier und da ein bekanntes Gesicht zu grüßen und stehen zu bleiben, wenn ein Vorgarten besonders hübsch gelungen war. Ich stopfte mir eine Pfeife und registrierte erstaunt, dass ich stundenlang nicht geraucht hatte.
Tina wohnte im ersten Stock gleich schräg gegenüber dem Lift. Sie trug Schwarz, hatte keinen Schmuck angelegt, die Fingernägel waren farblos lackiert, ihr Gesicht wirkte ledern, ihr Mund wie ein Strich. Unter den Augen dunkelblaue Schatten. Sie machte einen kranken Eindruck, einen herzkranken Eindruck.
»Wie steht die Sache denn?«, fragte sie in dem etwas kindlichen Bemühen, die Szene zu entkrampfen.
»Ich bin nicht informiert. Kannst du bitte zusammenfassen, was du wirklich von dem Tag weißt? Und warum hast du erzählt, Natalie wolle sich mit Sven treffen, um Schuhe zu kaufen? Sie haben sich zu diesem Zeitpunkt doch gar nicht mehr gesehen, ihre Liebesgeschichte war längst kaputt.«
»Ich hatte keinen Einfluss mehr«, sagte sie. »Schon lange nicht mehr. Sie hat das Haus wirklich gegen elf Uhr verlassen und ist mit dem Auto weggefahren. Und ich weiß wirklich nicht, wohin sie gefahren ist.«
»Aber du ahnst etwas, oder?«, fragte ich schnell.
»Ich habe immer wieder darüber nachgedacht. Ich glaube jetzt, dass sie zu Adrian Schminck gefahren ist, um Geld einzutreiben. Und sie wollte mit ihm reden, was er von dem Hollywood-Plan hält. Sie wollte, dass er ... na ja, dass er seine schützende Hand weiter über sie hält. Aber ich weiß eben nicht, ob das stimmt. Wir können sie ja nicht mehr fragen.« Sie setzte sich auf das Bett, ließ sich auf den Rücken fallen und weinte.
Ich überlegte. Dann rief ich Rodenstock an.
»Wo bist du denn?«,
Weitere Kostenlose Bücher