Eifel-Müll
Vera.
»Das ist genau das Richtige.«
Natürlich ging ich nicht in den Wald. Ich fuhr nach Daun und ging direkt in die Polizeiwache. Ich bat, den Chef sprechen zu dürfen, sagte, ich sei ein Journalist und es ginge um den Fall Natalie Colin. Aber ich hätte den Mörder nicht in der Aktentasche dabei.
Der Uniformierte jenseits der dicken Glasscheibe grinste mich breit an und telefonierte dann. Er nickte, legte auf und verkündete durch die Sprechanlage: »Sie können zum Chef. Erster Stock.«
Der Mann war klein, schlank und hatte das Gesicht des Opas, dem man bedenkenlos die eigene Brieftasche anvertraut. Er war nichts als freundliche Neugier. »Schade, dass Sie den Täter nicht in der Tasche haben«, begrüßte er mich.
»Der rasiert sich noch«, entgegnete ich. »Ich bin hier, um Spuren zu tilgen.«
»Zu tilgen?«
»Richtig, zu tilgen. Es gibt in diesem Fall eine Unmenge von Erkenntnissen und ich will die Spreu vom Weizen trennen. Würden Sie sich als einen guten Vorgesetzten bezeichnen?«
»Das hat mich noch niemand gefragt«, erwiderte er nach kurzem Nachdenken. »Wie kommen Sie darauf?«
»Nun ja, meine Kollegen Roland Grün und Stephan Sartoris haben für den Trierischen Volksfreund eine Reportage geschrieben und dabei entdeckt, dass die beiden Polizeibeamten Egon Förster und Klaus Benesch verschwunden sind. Diese beiden Beamten haben in der Nacht zuerst Sven Hardbecks Eltern den Tod ihres Sohnes beibringen müssen und wurden dann zum Fundort von Natalies Leiche geschickt, um ihn abzusichern. Knapp achtundvierzig Stunden später sind die beiden Polizeibeamten weg, nachdem veröffentlicht worden ist, dass die beiden Beamten privaten Umgang mit Natalie hatten. Können Sie mir sagen, wo die beiden sind?«
»Nein«, sagte er knapp. Er lächelte nicht mehr.
»Heißt das, Sie wollen es nicht sagen?«
»Richtig.«
»Dann sind Sie ein guter Chef«, stellte ich fest und versuchte neutral zu klingen.
Eine Weile herrschte Schweigen, nur das Ticken einer Uhr an der Wand war zu hören.
»Wie sind Sie darauf gekommen?«, fragte er.
»Ich war bei der Frau von Egon Förster. Sie beschrieb den Aufbruch ihres Mannes als totale Hetze, schwuppdiwupp, weg war er! Sie sagte aber auch, sie habe mit Ihnen gesprochen. Die Frau war überhaupt nicht aufgeregt oder nervös, sie wirkte ziemlich selbstsicher und machte sich um ihren Mann nicht die geringsten Sorgen. Da dachte ich mir: Der muss einen guten Chef haben. Sie haben die beiden aus dem Verkehr gezogen, oder?«
»Wie werden Sie damit umgehen?«
»Eines Tages werde ich daraus eine Geschichte machen. Aber nicht jetzt. Wo sind die beiden?«
»Im Kosovo«, murmelte er. »Internationale Polizeitruppe im Kosovo. Ich hatte keine Wahl, es musste schnell gehen.«
»Sie haben sehr unter der Öffentlichkeit gelitten, nicht wahr? Können Sie die Dinge aus Ihrer Sicht schildern?«
»Und Sie geben es nicht weiter?«
»Bestimmt nicht«, sicherte ich ihm zu.
»Tja, das Ansehen von Polizeibeamten steht nicht gerade hoch im Kurs«, begann er nachdenklich. »Man macht uns ständig klar, dass wir im Grunde versagen. Steigende Brutalität in der Gesellschaft, die starke Bereitschaft zur Gewalt. Wir sind die Buhmänner der Nation. Hier in der Provinz ist es besonders schlimm, weil meine Beamten in einer extremen Schere leben. Auf der einen Seite sind sie die Bullen, die sich überall einmischen, auf der anderen Seite selbst Mitbürger – aber eben mit der Einschränkung, dass sie ein bisschen mehr sind als Mitbürger, sozusagen Polizei-Mitbürger. Im Falle des Unfalltodes von Sven Hardbeck und der Tötung von Natalie Colin waren beide Male dieselben Beamten tätig. Der Landkreis rauschte ungebremst in das Interesse der Medien. Dann kam die Reportage im Trierischen Volksfreund, in der von dem Kontakt der Toten zu den Polizisten berichtet wurde. Jeder, der Provinz kennt, weiß, dass so eine Bekanntschaft unvermeidlich ist. Mir war allerdings sofort klar, dass das Stunk geben wird, das meine beiden Beamten voll in die Scheiße laufen würden, um das einmal deutlich auszudrücken. Es ist vollkommen wurscht, ob die irgendetwas mit dem Tod der Natalie Colin zu tun haben oder nicht: Wenn in einer Zeitung oder in einem Magazin ein Foto veröffentlicht wird, das meinen Beamten Egon Förster in fröhlichem Tanz mit der toten Natalie Colin zeigt, ist der Beamte verbrannt. Ich kann ihn zwar versetzen, ruiniere ihn damit aber. Er hat hier Familie und Haus, hier ist seine Heimat. Ich glaube
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