Eifel-Ralley
und erzählte den Agenten eine so haarsträubende Geschichte, daß ihm zunächst niemand glaubte. Er sagte, er habe in München erst Rebet, dann, zwei Jahre später, Stefan Bandera getötet. Mit einer Zyankali-Pistole.
Staschinsky war in den Westen geflohen, weil er bei seinem Auftragsmord an Stefan Bandera eine Frau kennengelernt hatte, die er heiraten wollte. Wahrscheinlich war er der einzige berufsmäßige Mörder auf der Welt, der von der CIA gezwungen wurde zu beweisen, daß er tatsächlich Morde begangen hatte – mit Zyankali, ohne Verätzungen zu hinterlassen.
Staschinsky baute seine Mordwaffe für die CIA noch einmal. Es war eine ganz einfache, simple Waffe, mit der ein Treibsatz verschossen werden konnte. Der Treibsatz zerschlug eine Ampulle mit Zyankali und zerstäubte das Gift. Es drang in den Mundraum des Opfers in so feinen Dosen ein, daß es keine Verätzung hinterließ, das Opfer aber zwingend tötete. Im Fall Bandera hatte der Geheimdienst Staschinsky eine besonders große Ampulle mitgegeben. Das war der Grund, weshalb man in Banderas Körper eine winzige Verätzung fand. Im Fall Rebet war eine Normalampulle benutzt worden, nachzuweisen war nichts.
Mit der von Staschinsky gebauten Waffe konnte man tatsächlich kleine Tiere töten, ohne daß das Zyankali auf dem Weg in den Magen nachzuweisen gewesen wäre. Das war eine Sensation, das war schlicht unglaublich. Staschinsky und seine Frau bekamen neue Lebensläufe und neue Papiere. Sie leben heute irgendwo an einem ruhigen Fleck in der Welt.« Rodenstock grinste. »Es ist also nicht weiter verwunderlich, daß Emma und ich sofort an Bandera dachten, als du erzähltest, dein Freund sei tot, nicht verletzt, aber möglicherweise ermordet. Du mußt jetzt einfach entscheiden, ob wir an den Arzt herangehen und versuchen, daß man diesem Toten die Schädeldecke entfernt.«
»Was würdest du tun?« fragte ich.
»Ich würde versuchen, es durchzusetzen«, sagte er. »Du würdest dir dein Leben lang die Frage stellen, ob er nicht doch ermordet wurde. Wenn du willst, tue ich es für dich.«
Ich sah Emma an, und sie nickte.
Es war nach 23 Uhr, als Rodenstock den Arzt Dr. Salchow in Adenau anrief. Zwanzig Minuten später versprach Salchow, den Pathologen der Staatsanwaltschaft anzurufen und darauf zu bestehen, daß die Obduktion vollständig inklusive Schädelöffnung weitergeführt würde. Und das möglichst schnell.
»Sind diese Zyankali-Morde veröffentlicht?« fragte ich.
»Und wie!« antwortete Emma. »Darüber gibt es Hunderte von wissenschaftlichen Abhandlungen, ganze Bücher. Alle Leute, die auf die eine oder andere Weise vom Fach sind, kennen diesen Fall genau.«
»Und Laien? Kommen Laien an den Fall heran?«
»Jeder, den es interessiert, kann diesen Fall studieren, wissenschaftliche Unterlagen anfordern. Kein Problem.« Rodenstock machte eine Pause. »Wenn sich herausstellt, daß dein Freund ermordet worden ist, mußt du vorsichtig sein. Denn dann suchst du einen Mörder, der ein Profiist. Und er wird nicht zögern, auch dich umzubringen.«
»Ich habe ja dich«, entgegnete ich.
Er lächelte geschmeichelt. »Eigentlich habe ich aber gar keine Zeit«, zierte er sich.
»Hah!« sagte Emma in scheinbar heller Empörung.
»Bedeutet das Zyankali-Wunder eigentlich, daß der Täter den Fall Bandera kennen muß?« fragte ich.
»Muß er nicht«, antwortete Emma. »Normalerweise scheint es schlicht unmöglich, an Zyankali-Ampullen heranzukommen. Und Morde mit diesem Stoff sind ziemlich selten. Wir wissen aber, daß Zyankali im gesamten Ostblock nach wie vor als Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzt wird, weil es ein relativ billiger Basisstoff ist. Dort bekommt man Ampullen in beinahe jeder Dosierung ohne Schwierigkeiten.« Sie grinste. »Damit du nicht allein bist, haben wir beschlossen, dich zu begleiten, falls du uns dein Gästezimmer gibst. Natürlich ist Rodenstock wild auf den Fall. Er würde sowieso keine Minute Ruhe haben, solange deine Recherchen laufen. Da habe ich als kluge Frau mir gedacht, daß wir gleich ein paar Tage Urlaub bei dir machen können. Die Koffer stehen gepackt nebenan.«
Ich mußte lachen. »Das war nichts als Vorspiegelung falscher Tatsachen. In Wirklichkeit findet ihr diese Wohnungsrenovierung stinklangweilig, ihr giert danach, etwas anderes tun zu können, habt garantiert schon einen Freiberufler engagiert, der euch das hier erledigt, während ihr ... mit anderen Worten, ihr seid schäbige Gauner.«
Emma sah Rodenstock
Weitere Kostenlose Bücher